Marathon Mosel
schnell«, versuchte ihn Doris zu bremsen, als er sich anschickte, eine größere Gruppe von Läufern zu überholen, die auf dem Rücken die Aufschrift MOIJEN trugen, ein in Luxemburg zu allen Tageszeiten üblicher Gruß. An der Spitze liefen die Bodyguards, die Walde noch vom Vorabend kannte. Ihnen folgte ein Pulk von rund einem Dutzend Leuten, in dem Guy Peffer mit einem neben ihm laufenden, hoch aufgeschossenen Mann plauderte. Dieser trug einen gelbblauen Joggingjacke mit der Aufschrift U.S. NAVY. Steffens folgte ihnen in seinem lockeren Laufstil. Eine Gruppe Männer, die von ihrer Statur her in nichts den vorauslaufenden Bodyguards nachstanden, folgte. Sie trugen olivgrüne T-Shirts. Walde bereute es, dass er versäumt hatte, sich von Barthel die Startnummern der inkognito eingetragenen Teilnehmer geben zu lassen.
Alle paar Meter stand ein Polizist am Straßenrand. An den Kreuzungen und Abzweigungen waren es kleine Gruppen, teilweise in Kampfanzügen.
*
Elmar beugte sich nach vorn und drückte den Türgriff hinunter. Ben war dicht hinter ihm. Langsam holte er mit der Waffe aus. Seine Gedanken rasten. Er hatte nichts dabei zum Fesseln und Knebeln des Mannes. Er hielt in der Bewegung inne. Elmar drehte den Kopf. Er sah die Waffe, riss den Mund auf. Ben drückte ab.
Der Knall war ohrenbetäubend, setzte sich durch das Kanalsystem fort, schien wieder lauter zu werden, als sei der Schall im Kreis durch den Schacht gerast und wieder zur Ursprungsstelle zurückgekehrt.
Elmar lag in der geöffneten Tür, mit Kopf und Schultern auf den Steinklinkern des Kanals. Ben ging in die Hocke und zog einen dicken Schlüsselbund und ein Portemonnaie aus den Hosentaschen des Toten.
*
Die ersten Kilometer wurden sie von den neben ihnen Laufenden und dem Applaus und Anfeuerungsrufen der Zuschauer mitgetragen. Zum Landesmuseum hin stieg die Straße leicht an. Walde musste die zweite Hand an den Bügel des Babyjoggers legen. An der Kaiserstraße ging es bergab, und er konnte abwechselnd mit den Armen schwingen. In der Saarstraße hatte sich das Tempo eingependelt.
Nur noch selten überholten sie einen langsameren Läufer. Das Feld hatte sich weit auseinander gezogen. Doris lief vor und schaute in den Wagen. Mit einer auf die gefalteten Hände gelegten Wange deutete sie an, dass Annika eingeschlafen war. Auch von den wild getrommelten Rhythmen einer Sambagruppe, die sie ein Stück weiter vom Straßenrand aus anfeuerten, ließ das Kind sich nicht stören.
Gleich hinter dem Fünf-Kilometer-Schild ging es an Mannschaftswagen der Bereitschaftspolizei vorbei in einer 180-Grad-Kurve zur Straße am Moselufer zurück in Richtung City. Nach wenigen Metern kamen die ersten Versorgungsstände.
Doris nahm, ohne ihr Tempo merklich zu verlangsamen, zwei Becher vom Tisch und reichte einen an Walde weiter. Beim Ansetzen des Bechers gelangten nur wenige Tropfen in seinen Mund. Das meiste lief an den Mundwinkeln vorbei über das Kinn und landete auf seinem Laufshirt.
»Trink!«, forderte ihn Doris auf. »Du musst viel trinken.«
Ein Seitenblick auf Doris zeigte Walde, dass es sich auszahlte, vorher geübt zu haben. Ihr Becher war bald leer und sie übernahm den Wagen. Selbst beim Gehen schwappte der Inhalt aus Waldes Becher. Er beschleunigte seine Schritte und schaute sich um, bevor er wieder zu Doris aufschloss.
»Erwartest du jemanden?« Doris hatte Waldes Blick bemerkt.
Ihm wurde bewusst, dass er Abstand zu der Luxemburger Gruppe um Guy Peffer gewinnen wollte. So viel wie möglich sogar.
»Die holen uns schon nicht ein«, sagte Doris, als könnte sie seine Gedanken lesen. »Steffens sagte, dass Guy Peffer mit fünf Stunden zufrieden sein müsste.« Sie sprach ohne Anstrengung. »Wir hatten bei Kilometer fünf knapp einunddreißig Minuten, das war nicht schneller, als wir trainiert haben. Wenn es so weitergeht, sind wir bei vier Stunden fünfzehn im Ziel.«
Walde sah über den Fluss auf die Konrad-Adenauer-Brücke. Noch achtmal so lang und dann noch zwei Kilometer. Die Pistolentasche scheuerte an seinem Rücken. Sie überholten eine sehr kleine Läuferin, die mit hoher Trittfrequenz auf ihren kurzen Beinen unterwegs war.
Sonne und Schatten wechselten sich ab. Walde blickte zum Himmel, wo sich gewaltige Wolken auftürmten. »Das darf doch nicht wahr sein!«
»Du bist doch nicht aus Zucker. Ist doch egal, ob dein Hemd von außen oder innen nass wird.« Doris stupste ihn mit einer Powergelpackung an die Schulter. Er nahm sie ihr ab und
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