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Marathon

Marathon

Titel: Marathon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Frangenberg
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eine
Erklärung für diese Harmoniesucht?«, fragte er.
    »Kennen Sie
seine Schwester und seine Mutter?«, antwortete sie mit einer
Gegenfrage. »Die haben ihm sicher Feuer unterm Hintern
gemacht, als er klein war. Sein Vater hat wohl auch nicht viel zu
sagen gehabt. Frank hat so was mal angedeutet. Mehr weiß ich
aber nicht.« 
    »Kennen Sie
einen Klaus Leuschen?«, fragte Gröber.
    Karin Wiesberg
schüttelte den Kopf. Gröber legte ein Polaroid-Foto von
dem Toten auf den Tisch.   
    »Sieht nicht so
gut aus. Aber so haben wir ihn gefunden. Er ist ähnlich
gestorben wie Vosskamp.«
    Wiesberg nahm das
Foto, um es lange anzusehen.
    »Haben Sie so
ein Foto auch von
Frank?«       
    »Ja,
natürlich. Sie sollten ihn aber in besserer Erinnerung
behalten.«
    »Ich möchte
es trotzdem gerne sehen.«
    Gröber holte ein
Foto von Frank Vosskamp aus einer Klarsichthülle, die sie in
die Akte geheftet hatten.
    »Warum sollte
ich es Ihnen nicht zeigen?«, fragte er, während er es
neben das Polaroid von Leuschen legte. Zwei Männer, fast
gleich alt, mit zwei toten Augenpaaren und einem aufgerissenen Mund
in einem blutleeren Gesicht.
    »Er muss sehr
große Angst gehabt haben«, sagte die Frau.
    »Man könnte
sich vorstellen, dass beide ihren Mörder gekannt haben«,
sagte Gröber, während auch er die beiden Bilder
betrachtete, die vor ihm auf dem Schreibtisch lagen. »Sie
haben sich nicht gewehrt, davon können wir ausgehen. Der
Mörder kommt ins Zimmer, vielleicht sagt er etwas, vielleicht
auch nicht. Wahrscheinlich haben die beiden gewusst, dass der
Besuch nichts Gutes bedeuten konnte«, spekulierte er.
»Ihr Freund hat auf der Couch gesessen, als er erstochen
wurde.«
    Wiesberg sagte nichts
dazu, nahm stattdessen noch einmal das Bild des zweiten
Opfers.
    »Ich weiß
nicht«, sagte sie. »Vielleicht habe ich ihn mal
gesehen. Bei einem Fest oder einer Party oder so etwas. Der Name
sagt mir in jedem Fall nichts.«
    »Hatten Sie nach
Ihrer Trennung noch Kontakt zu Vosskamp?«
    »Nein«,
antwortete die Frau. »Wir haben ein, zwei Mal telefoniert.
Wie gesagt: Frank wollte keinen Streit, auch nach der Trennung
nicht. Er hatte irgendwie keine Kraft für so etwas. Als ich
ihm gesagt habe, dass ich ihn verlassen werde, hat er nur
›schade‹ gesagt. Aber er könne mich verstehen.
Am Telefon hat er dann einmal geweint. Ein bisschen. Das
war's.«
    »Also keine
Anzeichen für irgendeine Bedrohung oder so
etwas?«
    »Nein. Er hat
mir nichts dergleichen erzählt.«
    »Gut, wenn Ihnen
noch etwas einfällt, rufen Sie mich an.« Gröber
schob ihr seine Visitenkarte herüber. »Wir machen noch
ein Protokoll, das Sie unterschreiben müssen. Wir lassen das
Band abtippen. Dann können Sie gehen.«
    Gröber versuchte
so aufzustehen, dass ihm die Frau nicht anmerken konnte, dass ihm
alle Glieder wehtaten.
    »Eine Frage muss
ich Ihnen natürlich noch stellen. Nur fürs Protokoll: Wo
waren Sie, als Frank Vosskamp ermordet wurde?«
    »In München
auf Dienstreise. Das wissen Sie doch. Es gibt genug Kollegen, die
das bezeugen können.«
    Gröber
nickte.
    »Sie können
hier auf das Protokoll warten«, sagte er und verabschiedete
sich.
    Als er nach einer
Dreiviertelstunde ins Zimmer zurückkam, um das unterschriebene
Protokoll zur Lagebesprechung zu holen, lag nur noch das Polaroid
von Klaus Leuschen auf dem Besprechungstisch. Das Foto von Frank
Vosskamp war verschwunden.

17
    Die russische Armee
hat sogar in ihrer Dienstsatzung festgeschrieben, dass zum Dienst
an der Waffe das standhafte Dulden von Belastungen und Entbehrungen
gehört. Jedes Mal, wenn Asis Kusnezow in einem dieser schicken
Hotels eincheckte, erinnerte er sich an den Tag, als er im
Rekrutensammelpunkt Schelesnodoroschnoje bei Moskau seine
Verpflichtungserklärung unterschrieben hatte. Die Soldaten
setzten ihren Namen unter einen Vertrag, der sie für die
nächsten Monate völlig entmündigen sollte. Als
Gegenleistung bekamen sie Dreck, Schmerzen und Abhärtung.
Jetzt hatte er für seine Unterschrift das Zimmer 116
bekommen.
    Er mochte diese
schlichte Eleganz, mit denen Innenarchitekten die neuen Hotels im
Westen ausstatteten. Kein Möbelstück zu viel, um
verschwenderisch Größe zu zeigen. Jedes Accessoire, jede
künstliche Blume, jeder Lichtstrahler hatte eine Funktion.
Nichts stand einfach nur herum, war überflüssig, alles
war wohl überlegt an seinen Platz gestellt worden. Asketische
Verschwendung, nannte Kusnezow so etwas. Er liebte das
Detail.
    Nur mit einem Handtuch
um

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