Marathon
bisschen Entspannung: Er machte sich auf zum
Whirlpool im Bad des Hotels.
18
Auf dem Tisch von
Michaela Chrischilles stapelten sich links und rechts neben einer
großen Kaffeetasse in zwei Haufen gut zwanzig Fotoalben.
Links Vosskamp, rechts Leuschen, exakt gestapelt. Die Polizistin
war ein sehr genauer Mensch, das gewissenhafte Mädchen
für alles, um das sich jede Ermittlungskommission riss.
Bislang hatten sie nichts gefunden, was darauf hindeutete, dass
sich die beiden Toten kannten. Festplatten, Adressbücher,
Kontobewegungen, Vereinsmitgliedschaften und die Schullaufbahnen
der beiden waren abgeglichen, Nachbarn, Freunde und
Lieblingskneipen abgefragt worden. Das Einzige, was beide gemeinsam
hatten, waren ein paar Jahre Studienzeit an der Kölner
Universität, der eine als BWL-Student, der andere als
Germanist. Aber das hatten Zehntausende gemeinsam. Nichts deutete
an, dass sie während des Studiums irgendetwas miteinander zu
tun gehabt hatten.
»Also
los«, sagte Remmer, die sich der jungen Kollegin
gegenüber an den Tisch gesetzt hatte. »Sie Vosskamp, ich
Leuschen.«
»Wo soll ich
anfangen?«, fragte Chrischilles.
Remmer nahm das erste
Album vom Stapel, den sie aus Leuschens Wohnzimmer mitgebracht
hatten, schlug wahllos drei Seiten auf und riss jeweils ein Foto
aus der Kinder- und Jugendzeit des Toten heraus.
»Suchen Sie
ihn«, forderte sie, nachdem sie ihr die Bilder vor Vosskamps
Alben gelegt hatte.
Dann nahm sie die
beiden oberen Alben von Vosskamp, schlug wahllos ein paar Seiten
auf und riss schließlich drei Bilder von Vosskamp aus dessen
alten Alben, die sie von seiner Mutter bekommen hatten.
»So machen wir
das jetzt mit jedem Lebensabschnitt. Wir suchen den Toten im Album
des anderen.«
Chrischilles sagte
nichts, griff nach dem ersten Fotoalbum, um es Seite für Seite mit ihren
perfekt manikürten Fingern mit ihren künstlichen
Fingernägeln mit rosa Glitzersteinchen durchzublättern.
Wenn sie nichts fand, würde es auch kein anderer
tun.
Schon gar keiner der
Jungs aus der Truppe, dachte Remmer, während sich einige von
ihnen hinter der gläsernen Trennscheibe darüber
amüsierten, dass Chrischilles auch dieses Mal wieder ihre
nicht gerade kleinen Brüste während der Büroarbeit
unbewusst auf die Schreibtischplatte gelegt hatte.
19
Während sich
Remmer und Chrischilles an eine Sisyphusarbeit machten, hockte
Gröber neben dem Krankenbett von Christina Leuschen.
Regungslos starrte sie an die Decke des Krankenzimmers des
Severinsklösterchens, in das der Krankenwagen sie am Morgen
gebracht hatte. Ärzte und Schwestern hatten sich liebevoll um
die Frau gekümmert und ihn mehrfach um Rücksichtnahme
gebeten.
»Frau Leuschen,
wenn Sie uns helfen wollen, sollten Sie uns ein bisschen was
erzählen.«
Es war der vierte
Versuch, die Frau zum Sprechen zu bringen. In ihrer Apathie wirkte
sie auf dem Krankenbett sehr zerbrechlich. Die Krankenschwestern
hatten ihr die Haare zusammengebunden und sie in ein
schneeweißes Nachthemd gesteckt. Gröber hätte der
Kontrast zu dem Anblick vom Morgen nicht sein können, als sie
gefesselt im Blut ihres Mannes gelegen hatte. Er versuchte sich zu
erinnern, was sie angehabt hatte, doch es fiel ihm beim besten
Willen nicht ein. Vielleicht hatte sie sogar nackt geschlafen. Er
wusste es nicht.
Gröber
ärgerte sich darüber, dass er die Aufgabe hier im
Krankenhaus übernommen hatte.
Wahrscheinlich
hätte Iris Remmer hier mehr ausrichten können als er.
Doch als frisch ernannte Leiterin der Ermittlungskommission hatte
sie befunden, dass es besser sei, wenn sie zu Beginn der Arbeit in
der Großgruppe im Büro blieb. Er wusste, was sie da
jetzt tat. Klare Anweisungen und die Bereitschaft, sich
gleichzeitig zu niederen Diensten wie Fotoalben durchsuchen
herabzulassen, kamen im Kreise der doch meist recht einfach
gestrickten männlichen Kollegen an. So baute sie in Windeseile
Autorität auf. »Jungs sind so leicht zu
beeindrucken«, ärgerte er sich, auch wenn er seine
Kollegin wie so oft bewunderte.
»Haben Sie den
Mann gesehen, der Ihrem Mann das angetan hat?«, versuchte er
es erneut.
Christina Leuschen
machte keine Anstalten, Auskünfte geben zu wollen.
»Hat er was
gesagt? Irgendetwas ? Jede Kleinigkeit könnte uns
helfen.«
Die zarte Frau schien
kaum zu atmen. Hätte er es nicht besser gewusst, hätte
man sie für tot halten können. Gröber stand auf und
ging langsam durch das Krankenzimmer. Er sprach ruhig
weiter:
»Hat Ihr Mann
etwas
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