Marathon
Kinder waren in Planung, wie eine Nachbarin zu erzählen
wusste. »Ein nettes und glückliches
Paar.«
Christina Leuschen
musste ins Krankenhaus gebracht werden, nachdem Remmer und
Gröber sie gefunden hatten. Sie litt unter einem schweren
Schock. Es war nicht möglich, sie anzusprechen, geschweige
denn irgendetwas über die vergangene Nacht zu
erfahren.
»Das ist nicht
schwer zu rekonstruieren«, meinte Berger. »Leuschen ist
hier getötet worden. Der Mörder hat gewartet, bis er
ausgeblutet war, hat mit dem Blut die Zahl gemalt und sein Opfer
dann aus dem Zimmer geschleppt, um ihn in der Bismarckstraße
abzulegen.«
»Warum hat er
die Frau nicht getötet?«, fragte Gröber.
»Das ist euer
Job«, antwortete Berger.
»Warum hat er
sie so gequält?«
»Ich glaube
nicht, dass er sie quälen wollte«, mischte sich Remmer
ein. »Die Frau sollte nicht mit ansehen, was er hier gemacht
hat. Deshalb hat er sie so gefesselt.«
»Weil er sie
schonen wollte?«, fragte Gröber misstrauisch.
»Ich glaube
schon. So sieht er das wohl. Sonst macht die aufwendige Knoterei
wenig Sinn. Er hatte es nur auf den Mann abgesehen. Wahrscheinlich
hat sie ihn noch nicht einmal gesehen.«
Remmers Handy
klingelte.
»Der Chef will
uns sehen«, sagte sie, nachdem sie ein Telefongespräch
beendet hatte, zu dem sie ganz entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit
kein einziges Wort beigesteuert hatte. »Er war nicht zum
Scherzen aufgelegt. Wir sollten uns vorher
umziehen.«
Die übliche
Standpauke beim Chef war genauso überflüssig gewesen wie
der staatstragende Kurzvortrag des zuständigen Staatsanwalts.
Sie wussten, dass sie bislang wenig hatten. Doch so schlimm es war,
in einer halben Woche zwei Tote zu finden, so groß war ihre
Hoffnung, nun durch Verbindungen zwischen den beiden eine echte
Spur zu finden. Es war eine kleine Ermittlungskommission
gegründet worden, sodass sie allerlei Rechercheaufgaben
verteilen konnten.
»Wir brauchen
zwei völlig lückenlose Lebensläufe«, hatte
Remmer als Leiterin der Ermittlungen als Aufgabe ausgegeben.
»Vom Geburtsvorbereitungskurs der Mütter über die
Schule bis zum Bestattungsunternehmer, den die Angehörigen
jetzt ausgewählt haben. Dazu Vereinsmitgliedschaften,
berufliche Funktionen, Hobbys, Freundinnen, der Name ihrer
Lebensversicherungen, sexuelle Vorlieben, einfach alles. Ich will,
dass ihr alles zusammentragt, bis wir wissen, was beide gemeinsam
hatten.«
Während Remmer
die Mannschaft instruierte, saß Gröber mit Karin
Wiesberg im Nebenzimmer. Frank Vosskamps Ex-Freundin war am Morgen
von einer Dienstreise zurückgekehrt und hatte sich sofort bei
der Polizei gemeldet, als sie die Nachricht vom Tode Vosskamps im
Briefkasten gefunden hatte. Sie schien sehr gefasst.
»Hatte Ihr
Freund Feinde?«, fragte Gröber ohne lange
Umschweife.
»Hätte er
welche gehabt, wäre ich vielleicht bei ihm geblieben«,
überraschte ihn die junge brünette Frau. Sie wartete
nicht auf eine Nachfrage: »Er war immer so lieb und nett, nie
ein Konflikt, immer alles ganz harmonisch. Und wenn sich mal ein
Streit anbahnte, gab er auf, bevor er begann. Können Sie sich
so einen Menschen vorstellen?«
Gröber fand keine
Körperhaltung, die den Muskelschmerz, der offenbar Tage
andauern wollte, lindern konnte. Er erinnerte sich an die Aussage
der Schwester.
»Er war
langweilig, oder?«
»Langweilig ist
überhaupt kein Ausdruck. Ich hatte ihn furchtbar gern. Aber
irgendwann geht einem diese Harmoniesucht auf die Nerven. Nichts
entwickelt sich mehr. Alles läuft so weiter, wie immer. Ein
grausiges Leben.«
»Warum war er
so?«
»Weiß ich
nicht. Ich habe ihn mal gefragt: Frank, warum hast du Angst vor
einem Streit? Warum bleibst du nicht bei deiner Meinung, wenn du
merkst, dass du damit aneckst?«
»Und?«
»Nichts. Er hat
nichts gesagt. Was willst du, hat er gefragt, ist aufgestanden und
hat eine Flasche Wein aus dem Schrank geholt. Es sei nicht gut,
wenn sich Menschen streiten, hat er gesagt. Es gebe genug Streit
auf der Welt.«
Eine Frau, die Streit
vermisste. Wie wunderbar. Gröber überlegte, wie es
wäre, wenn diese Frau ihn ein wenig massieren würde. Er
hätte viel dafür bezahlt. Karin Wiesberg wirkte traurig
und doch nicht unglücklich, während sie von dem Toten
erzählte. Sie schien zu wissen, was man für ein Leben
braucht, das man irgendwann im Rückblick als ein gelungenes
bezeichnen könnte. Für so eine Frau würde er sein
Leben ändern, dachte Gröber. Und mal richtig
aufräumen.
»Haben Sie
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