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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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und Gefühl für die Mißlichkeiten hatte, die damit verbunden waren, jeden Abend in einer karwansarai abzusteigen.
    Eine karwansarai ist eine Kombination zwischen Gasthaus für Reisende und Stall oder Pferch für ihre Tiere; nur, die Unterkunft für die Menschen unterscheidet sich -was Sauberkeit und Behaglichkeit betreffen -kaum von denen der Tiere. Was zweifellos daran liegt, daß ein solches Quartier so groß und ständig bereit sein muß, hundertmal mehr Menschen und Tiere aufzunehmen, als unsere kleine karwan umfaßte. So erlebten wir es auch mehrere Male, daß wir eine karwansarai mit einer ganzen Schar von - arabischen oder persischen -Kaufleuten teilten, die zu karwans gehörten, welche aus unzähligen Pferden, Maultieren, Eseln, Kamelen und Dromedaren bestand, die samt und sonders schwer beladen, hungrig, durstig und müde waren. Trotzdem würde ich lieber das Trockenfutter essen, das für die Tiere bereitgehalten wird, als die Gerichte, die den Menschen vorgesetzt werden, und lieber im Stroh schlafen, als in einem dieser mit geflochtenen Seilen bespannten Rahmen, die hier Bett genannt werden.
    Die ersten zwei oder drei Absteigen dieser Art, auf die wir stießen, waren aufgrund von Schildern als ›Christliche Herberge‹ zu erkennen. Sie wurden von armenischen Mönchen betrieben, waren dreckig und verwanzt und rochen muffig doch zumindest die Speisen waren abwechslungsreich und daher annehmbar. Weiter im Osten wurden die karwansarais von Arabern betrieben und trugen Schilder, die verkündeten: ›Hier, der einzig wahre und reine Glaube.‹ Diese Absteigen waren vielleicht um ein geringes reinlicher und besser instand gehalten, doch die muslimischen Speisen waren von unüberbietbarer Eintönigkeit: Hammelfleisch, Reis, Brot, in Größe, Form, Konsistenz und Geschmack genauso wie der Flechtsitz eines Korbstuhls, und dazu schwache, lauwarme, sehr wäßrige Sorbets.
    Wenige Tage nach dem Verlassen Suvediyes erreichten wir die am Fluß gelegene Stadt Antakya. Ist man auf einer Überlandreise begriffen, bietet jede am Horizont auftauchende Siedlung einen willkommenen und -aus der Ferne -auch schönen Anblick. Doch die Schönheit aus der Ferne erweist sich beim Näherkommen nur allzu oft als Illusion. Antakya war wie so viele andere Städte in diesen Gegenden häßlich, schmutzig und langweilig -und es wimmelte dort von Bettlern. Gleichwohl zeichnete es sich dadurch aus, daß es dem umliegenden Land seinen Namen gegeben hatte; in der Bibel heißt es Antiochia. Zu anderen Zeiten, als diese Gegend zum Reich Alexanders gehörte, wurde es Syrien genannt. Als wir hindurchzogen, gehörte es zum Königreich Jerusalem oder dem, was von diesem Königreich übriggeblieben war, welches seither vollständig unter die Herrschaft der mameluckischen Sarazenen gefallen ist. Doch wie dem auch sei: Ich bemühte mich, Antakya und ganz Antiochien oder Syrien so zu betrachten, wie vielleicht auch Alexander es betrachtet hatte; ich war nämlich ausnehmend stolz darauf, daß wir mit unserer karwan den Spuren Alexander des Großen folgten.
    Bei Antakya biegt der Orontes nach Süden ab. Wir ließen den Fluß hier also hinter uns und zogen weiter gen Osten, einer weit größeren, wenn auch nicht minder farblosen Stadt entgegen, die Haleb hieß oder Aleppo, wie die Abendländer sagen. Dort verbrachten wir die Nacht in einer karwansarai, und da die Besitzer nachdrücklich erklärten, daß wir weit unbeschwerter vorankommen würden, folgten wir ihrem Rat und erstanden für einen jeden von uns arabische Kleidung. So trugen wir ab Aleppo und noch eine lange Zeit hinterher das arabische Kostüm, vom kaffiyah-Kopftuch bis zu den pluderigen Beinkleidern. In dieser Tracht reitet man in der Tat bequemer und ungehinderter als in der engen venezianischen Strumpfhose und dem Rock aus schwerem Tuch. Zumindest aus der Ferne sahen wir aus wie drei jener arabischen Nomaden, die sich Leer-Länder oder bedawin nennen.
    Da die meisten Betreiber von karwansaraim dortzulande Araber waren, lernte ich selbstverständlich viele arabische Worte. Diese Araber sprachen aber auch die überall in Asien bekannte Handelssprache, Farsi, und wir näherten uns von Tag zu Tag mehr dem Lande Persien, wo Farsi Landessprache ist. Um mir zu helfen, mir diese Sprache schneller zu eigen zu machen, taten mein Vater und mein Onkel ihr möglichstes, soweit das ging, ausschließlich in Farsi miteinander zu sprechen und nicht in unserem heimatlichen Venezianisch oder im Sabir des

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