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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Welt ist größer als die Republik Venedig. Und obwohl Venedig ein blühendes und bedeutendes Gemeinwesen ist, nimmt es doch nur den Raum von einer Handvoll Inseln und einem schmalen Festlandstreifen an der adriatischen Küste ein. Mir wurde allmählich klar, daß all diese biblischen Könige -selbst die großen wie Salomo oder David -Gebiete beherrschten, die in der abendländischen Welt nur confim, Grafschaften oder Kirchspiel, genannt worden wären. Die großen Völkerwanderungen, die in der Bibel erwähnt werden, sind wohl in Wirklichkeit nichts weiter gewesen als die Wanderzüge der Nomadenstämme heute, die von der Ziegenzucht leben und denen ich begegnet bin. Und bei den großen Kriegen, von denen die Bibel berichtet, hat es sich wohl um nichts weiter als unbedeutende Überfälle zwischen winzigen Streitmächten gehandelt, um unbedeutende Streitigkeiten zwischen diesen kleinen ›Königen‹ zu regeln.
    Diese Einsicht brachte mich zu der Überlegung, warum der Herrgott sich damals, in der alten Zeit, die Mühe gemacht haben mag, Feuersbrünste und Stürme, Propheten und Seuchen ausbrechen zu lassen, um das Schicksal dieser kleinen Völkerschaften in jenen abgelegenen Weltgegenden zu beeinflussen.
    An zwei Nächten schlugen wir in diesem Lande absichtlich einen Bogen um die nächste karwansarai und schlugen unser Lager allein und unter freiem Himmel auf. Später, wenn wir in weniger bevölkerte Gegenden kämen, würden wir das ohnehin tun müssen, und so meinten mein Vater und mein Onkel, es wäre gut für mich, in einfachem Terrain und bei mildem Wetter erste Erfahrungen auf diesem Gebiet zu sammeln. Außerdem hatten wir drei den Schmutz und den Hammel satt bis dorthinaus. Deshalb bereiteten wir in diesen Nächten ein jeder eine Lagerstatt aus den Decken und benutzten den Sattel als Kopfkissen; auch zündeten wir ein Feuer zum Kochen an und ließen unsere Pferde frei zum Grasen, banden ihnen jedoch die
    Vorderbeine zusammen, damit sie nicht weit laufen konnten. Einige Fertigkeiten und Besonderheiten des Reisens hatte ich von meinem weitgereisten Vater und seinem Bruder bereits gelernt. Zum Beispiel hatten sie mir beigebracht, mein Bettzeug stets in einer der beiden Satteltaschen unterzubringen und meine Kleidung in der anderen und jedenfalls darauf zu achten, beides immer getrennt zu halten. Da Reisende in jeder karwansarai ihr eigenes Bettzeug benutzen, ist dieses unweigerlich stets voll von Läusen, Flöhen und Wanzen. Dieses Ungeziefer ist selbst dann eine Qual, wenn man den tiefen Schlaf der Erschöpften schläft; vollends unerträglich wären sie, wenn sie einem in wachem Zustand auch noch in den Kleidern sitzen. Deshalb befreite ich mich jedesmal, wenn ich morgens nackt aus meinem Bettzeug kroch, von allen Quälgeistern; da ich meine Kleidung sorgsam allem anderen ferngehalten hatte, konnte ich dann entweder bereits benutzte oder frische Gewänder anziehen, die noch frei von allem Ungeziefer waren. Stiegen wir jedoch nicht in einer karwansarai ab, sondern schlugen unser eigenes Lager auf, lernte ich andere Dinge. So erinnere ich mich, daß ich mich an dem ersten Abend, da wir im Freien übernachteten, anschickte, den Wassersack hoch und schräg zu halten, um einen großen Schluck zu nehmen -doch mein Vater hielt mich davon ab.
    »Warum nicht?« fragte ich. »Wir haben doch einen der gesegneten Flüsse des Paradieses, den Wassersack wieder darin zu füllen.«
    »Erstens tust du gut daran, dich an den Durst zu gewöhnen, solange noch Wasser zum Trinken vorhanden ist«, sagte mein Vater. »Und zweitens warte einen Moment -ich will dir etwas zeigen.«
    Er schichtete aus Zweigen, die er mit seinem Gurtmesser von einem nahe stehenden zizafun-Baum abhackte, ein Feuer auf. Das dornenbewehrte Holz dieses Baums brennt heiß und schnell, doch ließ er es nur so lange brennen, bis es zu Holzkohle geworden war, aber noch nicht ganz zu Asche. Dann schob er den größten Teil der Holzkohle beiseite und legte neues Holz auf die noch verbliebene Glut, um neuerlich ein Feuer zu entfachen. Die Holzkohle ließ er abkühlen, zerdrückte sie dann zu einem Pulver und häufte dieses auf ein Tuch, welches er wie ein Sieb über eine der Steingutschalen legte, die wir mitgenommen hatten. Dann reichte er mir eine andere Schale und hieß mich, sie mit Wasser aus dem Fluß zu füllen.
    »Koste dies Wasser«, sagte er, nachdem ich es geholt hatte.
    Ich tat es und sagte: »Schlammig. Und ein paar Insekten. Aber kein schlechtes

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