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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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ließ, welche die mongolischen Armeen begleiten. Hulagu wünschte, den mongolischen Blutlinien die Kraft der Hormuzer Samen hinzuzufügen, versteht Ihr? Nachdem einige Nächte dieser Zwangspaarung vergangen waren und Hulagu annahm, daß genügend von seinen Weibern geschwängert worden seien, hielt er sein Versprechen und ließ die Bogenschützen frei, damit sie heimziehen konnten nach Hormuz. Doch ehe er sie ziehen ließ, ließ er jedem Mann die Finger abschlagen, mit denen sie die Bogen spannten. Eigentlich ist es so, daß Hulagu die Früchte des Baums erntete und den Baum dann fällte. Diese verstümmelten Männer waren außerstande, Hormuz zu verteidigen, und so wurde auch diese Stadt genauso wie unser tapfer verteidigtes Baghdad dem Mongolischen Khanat einverleibt.«
    »Meine Liebe«, sagte der Shah peinlich berührt. »Diese Herren sind Sendboten des Khanats. Bei dem Brief, den sie vorgewiesen haben, handelt es sich um einen ferman des Khakhan Kubilai höchstselbst. Ich bezweifle sehr, daß Berichte von dem -eh -schlechten Benehmen der Mongolen sie amüsieren.«
    »Ach, Ihr könnt freimütig Ungeheuerlichkeiten sagen, Shah Zaman«, erklärte mein Onkel mit dröhnender Stimme. »Wir sind immer noch Venezianer und keine Adoptivmongolen und gehören auch nicht zu ihren Apologeten.«
    »Dann sollte ich Euch erzählen«, sagte die Shahryar und lehnte sich wieder eifrig vor, »auf welche grauenhafte Weise Hulagu unseren Qalif al-Mustasim Billah, den heiligsten Mann des Islam, behandelt hat.« Der Shah stieß neuerlich einen Seufzer aus und richtete den Blick in eine ferne Ecke des Gemachs. »Wie Ihr vielleicht wißt, Mirza Polo, war Baghdad für die Muslims das, was Rom für die Christen ist, und der Qalif von Baghdad für die Muslime das was Euer Papst für die Christen. Als Hulagu die Stadt belagerte, war es der Qalif Mustasim, der über die Bedingungen der Übergabe entschied, und nicht Shah Zaman.« Sie bedachte ihren Gatten mit einem abschätzigen Blick. »Hulagu erbot sich, die Belagerung aufzuheben, falls der Qalif sich mit gewissen Bedingungen einverstanden erklärte unter anderem der Herausgabe einer bestimmten Menge Goldes. Der Qahf weigerte sich und sagte: ›Unser Gold nährt den gesamten Heiligen Islam.‹ Und der regierende Shah setzte sich über diese Entscheidung nicht hinweg.«
    »Wie sollte ich?« verwahrte der Shah sich schwach, als ob über dieses Thema schon oft gestritten worden wäre. »Der geistliche Führer steht über dem weltlichen.«
    Unversöhnlich fuhr die Shahryar fort: »Den Mongolen und ihren Helfern aus Hormuz hätte Baghdad widerstehen können, aber gegen den Hunger, der durch die Belagerung hervorgerufen wurde, war es machtlos. Unsere Leute verzehrten alles, was eßbar war, selbst die Ratten in der Stadt; trotzdem wurden die Leute schwächer und immer schwächer, viele starben, und der Rest konnte einfach nicht mehr kämpfen. Als das Unvermeidliche kam und die Stadt fiel, setzte Hulagu den Qalif Mustasim in Einzelhaft und ließ ihn womöglich noch mehr hungern. Zuletzt mußte der heilige Mann um Nahrung betteln. Hulagu reichte ihm mit eigener Hand eine Schale voller Goldmünzen, und der Qalif wimmerte: ›Kein Mensch kann Gold essen!‹ Daraufhin sagte Hulagu: ›Ihr habt es Nahrung genannt, als ich es verlangte. Hat es Eure heilige Stadt ernährt? Dann betet, daß es jedenfalls Euch nährt.‹ Er ließ das Gold schmelzen, goß dem alten Mann das glühendheiße Metall in den Schlund und ließ ihn einen grauenhaften Tod sterben. Mustasim war der letzte des Qalifats, das über fünfhundert Jahre gedauert hat, und jetzt is t Bahgdad weder die Hauptstadt Persiens mehr noch des Islam.«
    Pflichtschuldigst schüttelten wir mitleidig den Kopf, was die
    Shahryar ermunterte, noch hinzuzufügen: »Nur um Euch bildlich klarzumachen, wie tief das Shanat gesunken ist: Mein Gatte, Shah Zaman, ein Shahinshah des gesamten Persischen Kaiserreiches, ist jetzt Taubenwart und Kirschpflücker.«
    »Aber meine Liebe...«, sagte der Shah. »Es stimmt doch. Einer von diesen kleineren Khans -irgendwo weiter im Osten; wir haben nicht einmal diesen Ilkhan jemals kennengelernt -liebt den Geschmack reifer Kirschen. Außerdem liebt er aber auch Tauben, und seine Tauben werden stets angelernt, von überallher zu ihm heimzufliegen, wohin man sie auch bringt. Infolgedessen beherbergt der Taubenschlag hinter den Stallungen des Palastes jetzt ein paar hundert von diesen gefiederten Ratten, und für eine jede von

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