Marco Polo der Besessene 1
ihnen gibt es einen winzigen Seidenbeutel. Mein kaiserlicher Gemahl hat seine Anweisungen. Nächsten Sommer, sobald die Kirschen in unseren Kirschgärten reifen, haben wir die Früchte zu pflücken und jeweils zwei von ihnen in einen von diesen kleinen Seidenbeuteln zu stecken, diese an den Beinen der Tauben festzubinden und die Vögel freizulassen. Gleich dem Vogel Rock, der Menschen, Löwen und Prinzessinnen davonträgt, werden diese Tauben unsere Kirschen zum wartenden Ilkhan tragen. Zahlen wir diesen demütigenden Tribut nicht, wird er zweifellos aus seinem fernen Osten
herangedonnert kommen und unsere Stadt wieder dem Erdboden gleichmachen.« »Meine Liebe, ich bin sicher, die Herren sind es jetzt müde - ich
meine, sie sind müde von ihrer Reise hierher«, sagte der Shah und klang selbst müde. Er ließ den Gong ertönen, der abermals den wazir herbeibrachte, und sagte zu uns: »Ihr werdet das Bedürfnis haben, Euch auszuruhen und Euch zu erfrischen. Wenn Ihr mir hinterher dann die Ehre erweisen wollt, Euch zum Abendmahl zu uns zu gesellen...«
Der wazir, ein in mittleren Jahren stehender Mann namens Jamshid, zeigte uns unsere Gemächer, eine Zimmerflucht von drei Räumen, die durch Türen miteinander verbunden waren. Sie waren auf dem Boden und an den Wänden reichlich mit schönen qali ausgestattet, die Fenster wiesen Steinrippen mit Glas dazwischen auf und außerdem weiche Lagerstätten samt Zudecken und Kopfkissen. Unser Gepäck war bereits heraufgeschafft worden.
»Und hier ist auch ein Diener für jeden von Euch«, sagte der wazir Jamshid und stellte uns drei ranke und schlanke, bartlose junge Männer vor. »Alle drei kennen sich trefflich in der indischen Kunst des champna aus, die sie an Euch ausüben werden, sobald Ihr aus dem hammam herauskommt.«
»Ah, ja«, sagte mein Onkel offenbar sehr angetan. »Wir haben schon lange kein Schaumbad mehr über uns ergehen lassen. Das letztemal war das, als wir durch Tazhikistan kamen, nicht wahr, Nico?«
Folglich genossen wir abermals die Reinigung und die Erfrischung eines hammam, das diesmal ein höchst elegant ausgestattetes Bad war, in dem unsere drei Männer uns als Reiber dienten. Hinterher lagen wir dann jeder in seinem Gemach auf seinem eigenen Lager und ließen das champna oder Schaumbad über uns ergehen. Ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete; irgendwie hatte es sich für mich nach einer Art Tanzvorführung angehört. Jetzt erwies es sich, daß wir ausgiebigst am ganzen Körper durchgewalkt und geknetet wurden, wesentlich kräftiger freilich als im hammam und mit der Absicht diesmal, nicht irgendwelchen Schmutz aus der Haut herauszuholen, sondern jeden Körperteil und jeden Muskel dergestalt zu üben, daß man sich hinterher womöglich noch gesunder, kraftstrotzender und energiegeladener vorkam, als ein Bad in einem hammam es vermag.
Mein junger Diener, Karim, klopfte und zwickte und zwackte mich, daß es sich anfangs durchaus schmerzvoll anfühlte. Doch nach einiger Zeit fingen die Muskeln, Gelenke und Sehnen, die durch den langen Ritt ganz steif geworden waren, an, sich unter diesem Ansturm zu entkrampfen und zu entspannen; ich fing allmählich an, es zu genießen, und hatte nachgerade das Gefühl, vor Lebenskraft förmlich zu vibrieren. In der Tat war es so, daß ein vorwitziger Teil von mir geradezu aufdringlich lebendig wurde, was mir peinlich war. Dann jedoch erschrak ich, als Karim offensichtlich mit geübter Hand anfing, auch dieses Glied zu bearbeiten.
»Das kann ich selbst«, fuhr ich ihn an, »wenn ich es für notwendig halte.«
Er zuckte leicht mit den Achseln und sagte: »Wie der Mirza befiehlt. Wenn der Mirza befiehlt«, und ließ seine wohltuende Behandlung wieder anderen, weniger heiklen Körperteilen zuteil werden.
Endlich hörte er mit dem Durchwalken auf, ich lag da, halb von dem Wunsch erfüllt einzuschlafen, halb von dem, aufzuspringen und besondere Kraftleistungen zu vollbringen. Der junge Karim entschuldigte sich und zog sich zurück.
»Um mich dem Mirza, Eurem Onkel, zuzuwenden«, wie er erklärte. »Für einen so massigen Mann bedarf es der Kraft von
uns allen dreien, ihn nach allen Regeln der Kunst zu
bearbeiten.«
Leutselig ließ ich ihn ziehen und überließ mich meiner
Schläfrigkeit. Ich glaube, mein Vater hat den Nachmittag gleichfalls verschlafen, doch Onkel Mafio muß sich gründlich haben durcharbeiten lassen, denn die drei jungen Männer verließen gerade erst seinen Raum, als Jamshid kam, um uns
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