Marco Polo der Besessene 1
werden.«
Und der Shah fügte hinzu: »Das Bild selbst ist mit Zauberfarben gemalt, die in wenigen Monaten anfangen werden zu verblassen, bis das Bild vollständig verschwunden ist. Auf diese Weise kann es nie zu einem Gegenstand der Verehrung werden, wie Ihr Christen sie anbetet; denn solche sind verboten, weil sie in unserer vergeistigteren Religion überflüssig sind.«
»Dieses Porträt«, sagte mein Vater, »wird einzigartig sein unter den vielen Geschenken, die der Khan ständig von überallher erhält. Eure Hoheiten erweisen sich in Euren Tributen als überaus großzügig.«
»Gern hätte ich ihm auch ein paar Jungfrauen aus Shiraz und Knaben aus Kashan geschickt«, sann der Shah. »Nur habe ich das schon mehrere Male versucht, doch irgendwie kommen sie nie an seinem Hofe an. Es muß schwierig sein, Jungfrauen zu transportieren.«
»Ich hoffe nur, wir schaffen es, all dies hier hinzubringen«,
sagte mein Onkel und vollführte eine allesumfassende Geste. »Ach, das dürfte nicht weiter schwierig sein«, sagte wazir Jamshid. »Ein jedes von Euren neuen Kamelen ist imstande, diese ganze Last zu tragen, und das noch dazu bei einer
Reisegeschwindigkeit von acht arshaks pro Tag; dazu
brauchen sie notfalls nur jeden vierten Tag zu saufen.
Vorausgesetzt, versteht sich, Ihr habt einen tüchtigen
Kameltreiber.«
»Welchselbigen Ihr jetzt habt«, erklärte der Shah. »Noch ein
Geschenk von mir, und zwar diesmal eines für Euch, meine
Herren.« Er gab der Wache an der Tür einen Wink, woraufhin
diese hinausging. »Ein Sklave, den ich selbst erst vor kurzem
erworben habe; das heißt, einer meiner Hofeunuchen hat ihn
für mich gekauft.«
Mein Vater murmelte:
»Die Großmut Eurer Hoheit ist weiterhin unerschöpflich und
überwältigend.«
»Nun ja«, sagte der Shah bescheiden. »Was ist schon ein
Sklave unter Freunden? Selbst ein Sklave, der mich
fünfhundert Dinar gekostet hat.«
Die Wache kehrte mit diesem Sklaven zurück, der sich
augenblicklich grüßend zu Boden warf und mit schriller Stimme
rief: »Allah sei gepriesen! Da treffen wir uns wieder, gütige
Herren!«
»Sia budelä!« entfuhr es Onkel Mafio. »Das ist doch die Natter,
die zu kaufen wir zurückgeschreckt sind!«
»Das Scheusal Nasenloch!« rief auch der wazir. »Wirklich, Euer
Hoheit, wie seid Ihr dazu gekommen, diesen Auswurf zu
kaufen?«
»Ich nehme an, der Eunuch hat sich in ihn verliebt und ist auf ihn hereingefallen«, erklärte der Shah säuerlich. »Ich aber nicht. Und deshalb gehört er jetzt Euch, meine Herren.«
»Nun...«, sagten mein Vater und mein Onkel voller Unbehagen,
ohne indes beleidigend werden zu wollen. »Nie habe ich einen widerborstigeren und aufrührerischeren Sklaven kennengelernt«, sagte der Shah und verzichtete auf jeden Anschein, sein Geschenk lobend herausstreichen zu wollen. »Er flucht und erregt in einem halben Dutzend Sprachen, die ich nicht verstehe, meinen Abscheu. Ich weiß
nur, daß in jeder Verwünschung das Wort ›Schwein‹
auftaucht.«
»Auch mir gegenüber ist er frech geworden«, sagte die
Shahryar. »Man stelle sich vor -ein Sklave, der die Lieblichkeit
der Stimme seiner Herrin bekrittelt!« »Der Prophet (aller Segen und aller Friede seien mit Ihm!)« ließ sich nunmehr Nasenloch vernehmen, als grüble er laut vor sich hin. »Der Prophet hat gesagt, verflucht sei das Haus, in welchem die Stimme der Frau auch noch außerhalb seiner Türen zu hören ist.«
Giftig funkelte die Shahryar ihn an, und der Shah sagte: »Hört Ihr? Nun, der Eunuch, der ihn gekauft hat, ohne daß er irgendeinen Auftrag dazu hatte, is t von vier wilden Pferden in Stücke gerissen worden. Auf den Eunuchen ließe sich verzichten, denn schließlich war er unter meinem Dach von einer meiner anderen Sklavinnen geboren worden, hat also nichts gekostet. Aber dieser Sohn einer shaqäl-Hündin hat mich fünfhundert Dinar gekostet; infolgedessen muß er, selbst wenn wir uns seiner entledigen, noch einigen Nutzen bringen. Ihr, meine Herren, braucht einen Kameltreiber, und er behauptet, einer zu sein.«
»Und das ist die reine Wahrheit!« rief der Sohn einer shaqäl-Hündin. »Gütige Herren, ich bin mit Kamelen aufgewachsen und liebe sie wie meine Schwestern...«
»Das«, erklärte mein Onkel, »glaube ich dir.«
»Beantworte mir dies, Sklave!« donnerte Jamshid ihn an. »Ein
Kamel kniet zum Beladen nieder. Es ächzt und stöhnt bei jeder
neuen Last, die ihm aufgebürdet
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