Marco Polo der Besessene 1
seid, habe ich alles darangesetzt, aus dem Haushalt des Palastes hinausgeworfen und Eurer karwan zugeteilt zu werden.«
»Hm«, meinten mein Vater und mein Onkel skeptisch. »Indem ich das tat -dessen war ich mir wohl bewußt -, lief ich selbstverständlich Gefahr, ein noch schlimmeres Schicksal zu erleiden -wie etwa in den Ölkrug getaucht zu werden. Doch davor hat mich der junge Mirza Polo bewahrt, und das wird er nie bedauern. Für Euch ältere Herren werde ich der gehorsame Diener sein -ihm gegenüber jedoch werde ich der hingebungsvolle Freund und Erzieher sein. Ich will zwischen ihm und jedem Schaden stehen, der ihm zustoßen könnte,
genauso, wie er es für mich getan hat - und ihn unermüdlich in die Weisheit der Straße einführen.« Nasenloch war also der zweite ungewöhnliche Lehrer, den ich
in Baghdad bekam. Zwar wünschte ich von Herzen, es hätte jemand so hübsch und gesellig und begehrenswert sein können, wie Prinzessin Falter es gewesen war. Und ich war auch nicht sonderlich begeistert, der Schützling dieses grindigen Sklaven zu sein -und womöglich noch Gefahr zu laufen, daß einige seiner häßlichen Züge auf mich abfärbten. Aber ich wollte ihn nicht verlieren, indem ich diese Dinge laut sagte, und so setzte ich nur eine Miene auf, die duldsames Einverständnis erkennen ließ.
»Daß Ihr nicht glaubt, ich behauptete, ein guter Mensch zu sein«, sagte Nasenloch, als hätte er meine Gedanken gelesen.
»Ich bin ein höchst weltlicher Mensch, und nicht alle meine Vorlieben und Gewohnheiten gelten in den Augen der gebildeten Gesellschaft als annehmbar. Ihr werdet zweifellos häufig Anlaß haben, mich zu schmähen oder mich zu schlagen. Aber ein guter Reisender bin ich wirklich. Und jetzt, wo ich wieder unterwegs sein darf, werdet Ihr meine Nützlichkeit bald zu schätzen wissen. Ihr werdet schon sehen!«
So gingen wir drei, uns endgültig und in aller Form vom Shah und von der Shahryar und ihrer alten Mutter sowie der Shahzrad Magas zu verabschieden. Alle waren sie aus diesem Grunde bereits früh aufgestanden - und verabschiedeten uns in der Tat, als wären wir gerngesehene Gäste und nicht nur Männer, die mit einem ferman des Khakhan ausgestattet waren und die man unterbringen mußte, ob man nun wollte oder nicht.
»Hier die Papiere, aus denen hervorgeht, daß Ihr Besitzer dieses Sklaven seid«, sagte Shah Zaman und reichte sie meinem Vater. »Ihr werdet von nun an auf Eurer Reise in den Osten viele Grenzen überschreiten, und es könnte sein, daß die Grenzwachen wissen wollen, wer alles zu dieser karwan gehört. Und jetzt, lebt wohl, gute Freunde! Möge der Schatten Allahs nie von Euch weichen!«
An uns alle gerichtet, doch mit einem besonderen Lächeln, das nur mir galt, sagte Prinzessin Falter: »Möget Ihr unterwegs nie einem afriti oder einem bösen jinni begegnen -nur den lieblichen und vollkommenen peri.«
Die Großmutter nickte uns nur stumm zu, während die Shahryar Zahd zum Abschied etwas sagte, das fast so lange dauerte wie eines ihrer Märchen, bis sie endlich mit einem übertriebenen: »Eure Abreise läßt uns alle untröstlich zurück« schloß.
Woraufhin ich mich erkühnte zu sagen: »Einen Menschen gibt es hier im Palast, dem ich gern persönlich Grüße ausrichten lassen möchte.« Ich gestehe, ich war immer noch ziemlich verwirrt von den Phantasien, die ich um Prinzessin Sonnenlicht gesponnen hatte -und von der irrigen Meinung, ein lange bewahrtes Geheimnis, das sich um sie rankte, gelüftet zu haben. Doch gleichviel: ob sie nun wirklich so unvergleichlich schön war, wie ich sie in meiner Phantasie sah, oder nicht, sie war eine nie erlahmende Liebhaberin gewesen, und so war es mehr als ein Gebot der Höflichkeit, daß ich mich besonders von ihr verabschiedete. »Würdet Ihr der Dame ausrichten, daß ich sie von Herzen grüßen lasse, Hoheit?« wandte ich mich an die Shahryar Zahd. »Ich glaube nicht, daß Prinzessin Shams Eure Tochter ist, doch...«
»Wirklich«, sagte die Shahryar kichernd. »Meine Tochter - was Ihr Euch so alles ausdenkt! Ihr scherzt, junger Mirza Marco, auf daß der Abschiedsschmerz uns nicht überwältigt und wir alle lachen und guter Dinge sind. Ich bin sicher, Ihr seid Euch darüber im klaren, daß die Shahrpiryar die einzige persische Prinzessin namens Shams ist.«
Unsicher sagte ich: »Ich habe diesen Titel nie zuvor gehört.« Was mich verwirrte, war, daß Prinzessin Falter sich in die äußerste Ecke des Raums zurückgezogen hatte und ihr
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