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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Gesicht in den Falten des chador barg; nur ihre grünen Augen waren zu sehen, und die leuchteten boshaft, während sie versuchte, ihr Lachen zu unterdrücken, welches so stark war, daß sie sich fast krümmte.
    »Der Titel Shahrpiryar«, erklärte ihre Mutter, »bedeutet soviel wie Prinzessinnen-Mutter Shams, die altehrwürdige Stammutter von uns Prinzessinnen.« Sie vollführte eine weitausholende Geste. »Meine Mutter hier.«
    Vor Ekel und Entsetzen mit Stummheit geschlagen, starrte ich die Shahrpiryar Shams an, die verrunzelte und verhutzelte, braunfleckige und hinfällige unsägliche alte Großmutter mit dem immer schütterer werdenden Haarwuchs. Und sie erwiderte mein Glotzen, daß mir die Augen förmlich aus dem Kopf fielen, mit einem wollüstigen, geilen Lächeln, bei dem sich ihre zahnlosen Kiefer entblößten. Gleichsam um sicherzustellen, daß ich auch wirklich erkannte, um wen es sich hier handelte, fuhr sie sich mit ihrer grauen Zungenspitze über die rissige Oberlippe.
    Ich hätte auf der Stelle herumfahren und davonlaufen können, doch irgendwie drehte ich mich nur und folgte meinem Vater und meinem Onkel aus dem Raum hinaus, ohne daß mir die Sinne schwanden oder ich mich auf den alabasternen Boden erbrach. Unbestimmt nahm ich das lustige, lachende und spöttische Lebewohl wahr, das Falter hinter mir herrief, denn in meinem Inneren hörte ich andere spöttische Stimmen -hörte meine eigene alberne Frage: »Ist Eure Schwester viel jünger als Ihr?« sowie das eingebildete Gebot Allahs hinsichtlich der »göttlichen Schönheit der Prinzessin« und hörte die vom fardarbab aus dem von mir geschüttelten Sand gelesene Antwort: »Hütet Euch vor der Blutrünstigkeit der Schönheit!«
    Nun, meine letzte Begegnung mit der Schönheit hatte mich kein Blut gekostet, und ich darf wohl behaupten, daß noch nie jemand an Ekel oder an Demütigung gestorben ist. Falls überhaupt, war die Erfahrung höchstens dazu angetan, daß mein Blut lange nicht zur Ruhe kam und ich auch hinterher immer noch einen roten Kopf hatte und mir der Schädel brummte. -Denn wann immer ich an jene Nächte im anderun des Palastes von Bahgdad zurückdachte, schoß mir das Blut zu Kopf, und ich errötete.
    Der Wazir hoch zu Roß begleitete unsere kleine Kamel-karwan jenen isteq Ibal -also jene halbe Tagereise lang -, mit der die Perser der Sitte entsprechend scheidende Gäste ehren. Im Laufe dieses Vormittags äußerte Jamshid sich mehrere Male besorgt darüber, wie schlimm ich mit dem glasigen Blick und dem schlaff herabhängenden Kinn aussehe. Auch mein Vater und mein Onkel sowie der Sklave Nasenloch erkundigten sich mehr als einmal, ob der wogende Gang des Kamels mir nicht bekomme. Jeden fertigte ich mit einer ausweichenden Antwort ab. Schließlich konnte ich unmöglich zugeben, daß ich mich wie vor den Kopf geschlagen fühlte bei dem Bewußtsein, mich rund drei Wochen hindurch beseligt mit einer sabbernden Alten gepaart zu haben, die ohne weiteres meine Großmutter hätte sein können.
    Aber ich war nun einmal jung, und folglich erholte ich mich bald wieder von dem Schlag. Nach einiger Zeit redete ich mir selbst ein, es sei weiter kein Schaden angerichtet -gelitten hätte höchstens mein Selbstbewußtsein -, und es stehe auch nicht zu erwarten, daß die Prinzessinnen plauderten und mich zum Gespött der Leute machten. Als Jamshid sich endgültig mit einem letzten salaam aleikum verabschiedete und sein Pferd wendete, um nach Baghdad zurückzukehren, hatte ich mich schon wieder soweit erholt, daß ich mich umsah und erkennen konnte, durch was für eine Landschaft wir hindurchritten. Wir befanden uns in einer Gegend und sollten das auch noch eine Weile bleiben, die aus angenehm begrünten Tälern bestand, welche sich zwischen blauen Bergen dahinzogen.
    Das war gut, setzte es uns doch instand, uns an unsere Kamele zu gewöhnen, ehe wir den beschwerlichen Ritt durch die Wüste antreten mußten.
    Ich möchte feststellen, daß es nicht schwerer ist, ein Kamel zu reiten als ein Pferd, jedenfalls, nachdem man sich erst einmal daran gewöhnt hat, daß man bei dem Wüstentier viel höher
    über dem Boden thront. Kamele haben einen kurzen,
    zockelnden Gang und einen überaus hochnäsigen
    Gesichtsausdruck, genauso wie eine bestimmte Art von
     
    Männern. An die abgehackte Gangart kann sich auch ein Anfänger ziemlich leicht gewöhnen; am leichtesten ist es, wenn man beide Beine zur selben Seite hinunterhängen läßt wie auf einem Damensattel und

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