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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Bewohnern Kashans noch auffiel, waren selbstverständlich die vielen hübschen auf der Straße spielenden Knaben. Sie sangen ihre Lieder zum Prellballspiel, zum Versteckspiel und zum Ringelreihen genauso wie die venezianischen Kinder, nur daß die Lieder hier sich eher anhörten, als schrien irgendwelche Katzen. Nicht anders übrigens hörten sich die Instrumente an, die von Musikanten gespielt wurden, die nach bakhshish heischten. Sie schienen übrigens keine anderen Instrumente zu kennen als den changal, der nichts anderes ist als eine guimbarde oder
    Judenharfe, und die chimta, die nichts anderes ist als eine
    eiserne Küchenzange, so daß ihre Musik nichts anderes war
    als ein aus Schwirren und Klirren bestehender Ohrengraus. Ich
    glaube, die Vorübergehenden, die ihnen ein oder zwei kleine
    Münzen hinwarfen, taten das nicht, um für die Unterhaltung zu
    danken, sondern um diese zumindest für einen kurzen
    Augenblick zu unterbrechen.
     
    Ich bin an diesem Morgen nicht weit gegangen, denn mein
    Spaziergang brachte mich wie im Kreis durch die Straßen
    zurück, und so stellte ich bald fest, daß ich mich dem Haus der
    Witwe wieder näherte. Aus dem Fenster winkte mir die hübsche
    Dienerin, gerade so, als hätte sie nur darauf gewartet, daß ich
    vorüberkäme. Sie ließ mich ins Haus eintreten und führte mich
    in einen Raum, der mit einigermaßen abgetretenen qali und
    daiwan-Kissen ausgestattet war, und sagte mir im Vertrauen,
    ihre Herrin sei anderweitig beschäftigt; im übrigen heiße sie
    Sitare, was soviel heiße wie Stern.
     
    Wir setzten uns auf einen Haufen Kissen. Da ich längst kein
    unerfahrener Grünschnabel mehr war, bedrängte ich sie nicht
    mit ungeschickter jugendlicher Gier. Ich begann vielmehr mit
    leisen Worten artig Komplimente zu drechseln und rückte ihr
    erst nach und nach etwas näher, bis mein Geflüster in ihren
    hübschen Ohren sie so kribbelig machte, daß sie hin-und
    herrutschte und kicherte; erst da hob ich den chador-ScUeier in
    die Höhe, näherte meine Lippen den ihren und küßte sie ganz
    zart.
     
    »Das ist nett, Mirza Marco«, sagte sie. »Aber Ihr braucht keine
     
    Zeit zu verschwenden.«
    »Ich halte das keineswegs für Zeitverschwendung«, sagte ich.
    »Denn ich genieße das Vorspiel genauso wie die Erfüllung. Wir
    können uns den ganzen Tag Zeit dafür nehmen, wenn...«
     
    »Ich meine, Ihr braucht Euch durchaus nicht mit mir
     
    abzugeben.«
    »Du bist ein sehr verständiges Mädchen, Sitare, und sehr
    freundlich. Nur muß ich dir sagen, daß ich kein Muslim bin. Ich
    brauche am ramazan nicht enthaltsam zu sein.«
     
    »Ach, daß Ihr ein Ungläubiger seid, macht nichts.«
     
    »Es erfreut mein Herz, das zu hören. Dann laß uns zur Tat
    schreiten.«
    »Gern. Entlaßt mich nur aus Eurer Umarmung, und ich werde
     
    ihn holen.«
    »Wie bitte?«
    »Ich habe es Euch doch gesagt. Ihr braucht nicht fortzufahren,
     
    mit mir zu tun als ob. Er wartet bereits darauf
    hereinzukommen.«
    »Wer wartet?«
     
    »Mein Bruder Aziz.«
    »Warum zum Teufel sollte dein Bruder den Wunsch haben, hier
    mit uns zusammenzusein?«
     
    »Nicht mit uns. Mit Euch. Ich werde verschwinden.«
    Ich lockerte meine Umarmung, setzte mich auf und sah sie an.
    »Entschuldige mich, Sitare«, sagte ich ganz auf meiner Hut,
    und da ich einfach nicht wußte, wie sie anders fragen, fragte ich
     
    sie rundheraus: »Bist du vielleicht divane?«. Divane aber heißt
    verrückt.
    Ehrlich verblüfft sah sie mich an. »Ich bin natürlich davon
     
    ausgegangen, daß Ihr die Ähnlichkeit bemerkt habt, als Ihr
    gestern abend hier wart. Aziz ist der Junge, der so aussieht wie
    ich, auch rotes Haar hat wie ich - nur daß er noch viel hübscher
    ist als ich. Sein Name bedeutet soviel wie Geliebter. Gewiß
    habt Ihr mich deshalb doch angelächelt und mir zugezwinkert?«
     
    Jetzt war es an mir, verblüfft zu sein. »Und wenn er so hübsch
    wäre wie eine peri, warum sollte ich dir dann schöne Augen
    machen - außer, du wärest diejenige, die ich...?«
     
    »Und ich sage Euch, es bedarf keines Vorwands. Aziz hat Euch
    gleichfalls angesehen und war augenblicklich entzückt; und
    jetzt wartet er begierig draußen...«
     
    »Und mir soll es gleich sein, ob Aziz für alle Ewigkeit im
    Fegefeuer schmort!« rief ich nun doch erzürnt. »Laß es mich so
    deutlich sagen, wie ich kann. Ich bin im Augenblick dabei, dich
    zu verführen, mir zu Willen zu sein.«
     
    »Mich? Ihr möchtet mit mir zina begehen? Und nicht

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