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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Dingen.«
     
    »Mir scheinen diese Dinge die beiden Seiten ein und derselben
    Medaille zu sein«, sagte die Witwe und hieb wieder mit ihrem
    Pantoffel auf einen Skorpion ein. »Wenn Schönheit Gefahr birgt
     
    -birgt nicht auch Gefahr Schönheit» Oder aus was für einem Grunde sonst macht ein Mensch sich glücklich auf die Reise?«
    »Ich? Ach, ich reise rein aus Neugier, Mirza Esther.«
    »Nur aus Neugier? Hör sich das einer an! Junger Mann, nie
    solltet Ihr die Neugier genannte Leidenschaft geringachten. Wo
    blieb die Gefahr ohne sie und wo die Schönheit?«
     
    Ich konnte nicht recht den Zusammenhang zwischen den drei Dingen erkennen, und abermals fragte ich mich, ob ich womöglich mit jemand redete, der leicht divane war. Ich wußte, daß alte Leute manchmal wunderlich Unzusammenhängendes
    reden konnten, und genau so kam es mir vor, als sie jetzt
     
    fortfuhr:
    »Soll ich Euch die traurigsten Worte sagen, die ich jemals
    gehört habe?«
     
    Wie alte Leute nun einmal häufig sind, wartete sie mein Ja oder
     
    Nein gar nicht erst ab, sondern fuhr einfach fort:
    »Es waren die letzten Worte, die mein Mann Mordecai (alav hasho-lom) zu mir sagte. Als er schon im Sterben lag. Der
    darshan war anwesend sowie andere Mitglieder unserer kleinen
    Gemeinde; und ich selbstverständlich, in Tränen aufgelöst und
    doch bemüht, meine Tränen still und würdevoll zu vergießen.
    Mordecai hatte von allen Abschied genommen, hatte sein
    Shema Yisrael gesprochen und sah dem Tod gefaßt entgegen.
    Die Augen hatte er geschlossen, die Hände gefaltet, und wir
    alle dachten, daß er friedlich entschlummerte. Doch dann ohne die Augen aufzumachen oder sich an jemand Bestimmtes
    zu wenden -sprach er noch einmal ganz klar und deutlich. Und
    was er sagte, war folgendes...«
     
    Die Witwe führte mir stumm die Situation auf dem Sterbelager
    vor. Sie schloß die Augen und kreuzte die Hände überm Busen,
    wobei eine von ihnen immer noch einen schmutzigen Pantoffel
    hielt; sie legte den Kopf ein wenig zurück und sagte mit
    Grabesstimme:
     
    »Ich habe immer hingehen wollen... und es tun... und doch
     
    habe ich es nie getan.«
    Die Witwe verharrte in dieser Pose; offensichtlich erwartete sie
    von mir, daß ich etwas sagte. Und so wiederholte ich die Worte
    des Sterbenden: »Ich habe immer hingehen wollen... und es
    tun...« Und dann fragte ich: »Aber was hat er gemeint? Wohin
    gehen? Und was tun?«
     
    Die Witwe schlug die Augen auf und drohte mir mit dem
    Pantoffel. »Genau das hat auch der darshan gefragt, nachdem
    wir etwas gewartet hatten, ob er nicht noch mehr sagte. Er
    lehnte sich über das Bett und sagte: ›Wohin gehen, Mordecai?
    Und was tun?‹ Aber Mordecai gab keine Antwort. Er war tot.«
     
    Ich sagte das einzige, was mir in diesem Augenblick in den
     
    Sinn kam. »Das tut mir leid, Mirza Esther.«
    »Mir auch. Aber ihm auch. Da lag ein Mensch buchstäblich im
    allerletzten Moment seines Lebens und bedauerte etwas, was
    einst seine Neugier geweckt; er jedoch hatte es versäumt,
    hinzugehen und es zu sehen oder zu tun oder zu haben -und
    jetzt würde er es nie mehr können.«
     
    »War Mordecai ein Reisender?«
    »Nein. Er war ein Tuchhändler, und zwar ein sehr erfolgreicher.
    Er ist von hier aus nie weiter gereist als bis nach Baghdad oder
     
    Basra. Aber wer weiß, was er gern gewesen wäre oder getan
    hätte?«
    »Ihr glaubt also, er sei unglücklich gestorben?«
    »Zumindest, ohne Erfüllung gefunden zu haben. Ich weiß zwar
     
    nicht, wovon er sprach, aber ach' -wie sehr ich wünschte, er
    hätte es zu Lebzeiten getan und wäre hingegangen, wo immer
    es sein mochte und was immer es hat sein können.«
     
    Taktvoll versuchte ich darauf hinzuweisen, daß ihn das jetzt
     
    nicht mehr kümmere.
    Doch sie erklärte mit Entschiedenheit: »Aber es hat ihn
    gekümmert, als es wirklich wichtig war. In dem Augenblick
    nämlich, da er wußte, daß die Chance für immer vorbei war.«
     
    In der Hoffnung, es ihr leichter zu machen, sagte ich: »Aber
    wenn er die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen hätte -wer
    weiß, ob Ihr dann jetzt nicht unglücklicher wäret. Schließlich
    hätte etwas -nun ja, es hätte etwas sein können, das niemand
    hätte billigen können. Mir ist aufgefallen, daß es in diesem Land
    unendlich viele sündige Versuchungen gibt. In allen Ländern,
    vermutlich. Ich selber habe einst einem Priester beichten
    müssen, allzu hemmungslos meiner Neugier gefolgt zu sein
    und...«
     
    »Beichtet

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