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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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das schaden? Oder
     
    irgendeinem Menschen sonst? Laßt es uns tun.«
    Eine tiefere Stimme antwortete, doch war es für mein Ohr nur
    ein Gemurmel, und ich verstand die einzelnen Worte nicht. Ich
    war bereits im Begriff, wütend loszuschreien, Nasenloch zu
    packen und den Verruchten von dem Knaben runterzuziehen,
    doch war es wieder Aziz, der redete, und zwar im Ton großer
    Verwunderung.
     
    »So einen habe ich noch nie gesehen! Von einer Hauthülle
     
    umgeben...« - Wie vom Donner gerührt erstarrte ich.
    »... die sich, wenn man will, auch zurückschieben läßt!« Das
    klang immer noch nach ehrfürchtiger Scheu. »Aber das ist ja,
    als hättet Ihr Euren eigenen mihrab, der Euren zab immer zart
    umschließt!«
     
    Nasenloch besaß keine Vorhaut. Er war Muslim und
    beschnitten, genauso wie Aziz. Rückwärtsgehend entfernte ich
    mich, ganz darauf bedacht, kein Geräusch zu machen.
     
    »Das muß ja eine himmlische Empfindung hervorrufen, auch
    wenn man keinen Partner hat«, fuhr die helle Zwitscherstimme
    fort, »wenn Ihr die Haut auf diese Weise vor-und wieder
    zurückschiebt. Darf ich es für Euch tun...?«
     
    Weiter weg erstickte der Nebel seine Stimme vollends. Doch
    wach und ganz auf meiner Hut wartete ich draußen vor seinem
    Zelt, zu dem er schließlich zurückkehrte. Wie ein verirrter Strahl
    Mondlicht trat er aus dem Dunkel hervor. Er selbst strahlte,
    denn er war splitterfaser-nackt und trug seine Kleidung in der
    Hand.
     
    »Nun sieh dir das an!« sagte ich streng, aber leise. »Da habe
    ich einen heiligen Eid geschworen, daß dir kein Schaden
    widerfährt...«
     
    »Aber das ist es doch auch nicht, Mirza Marco«, sagte er
     
    blinzelnd und völlig arglos.
    »Und du hast beim Barte des Propheten geschworen, keinen
    von uns in Versuchung zu führen...«
     
    »Das habe ich doch auch nicht, Mirza Marco«, sagte er und
    machte ein gekränktes Gesicht. »Ich war vollständig bekleidet,
    als er und ich uns in dem Gehölz dort drüben trafen.«
     
    »Und absolut keusch zu bleiben.«
    »Bin ich ja gewesen, Mirza Marco, die ganze Reise über, von
    Kashan an. Keiner ist in mich eingedrungen und ich in niemand.
    Wir haben uns doch nur geküßt.« Damit trat er ganz nahe an
    mich heran und küßte auch mich. »Und dies...« Er machte es
    mir mit Gebärden vor, legte schließlich sein kleines Selbst in
     
    meine Hand und hauchte: »Das haben wir einer für den
    anderen getan...«
    »Genug!« sagte ich heiser, ließ ihn fahren und schob seine
     
    Hand von mir fort. »Leg dich jetzt schlafen. Bei Sonnenaufgang
    reiten wir los.«
     
    Ich selbst drückte diese Nacht kein Auge zu, bis ich mir die Erregung eingestand, die Aziz in mir erweckt hatte, und ich mich mit eigener Hand davon befreite. Zum Teil rührte meine Schlaflosigkeit auch daher, daß mein Onkel sich mir in einem ganz neuen Licht darstellte -von der Enttäuschung, die das bedeutete, und von dem Abscheu, die meine Gefühle ihm gegenüber von nun an beeinträchtigten. Es bedeutete keine gelinde Enttäuschung, dahintergekommen zu sein, daß Onkel Mafios Unerschrockenheit, sein schwarzbärtiges und rauhes Äußere nur eine Maske waren, hinter der er nichts weiter war als ein affektierter, heimlicher und verabscheuungswürdiger Sodomit.
    Daß ich selbst kein Heiliger war, wußte ich; und ich bemühte mich auch, kein Heuchler zu sein. Ich konnte ohne weiteres zugeben, daß auch ich für die Reize des Knaben Aziz empfänglich war. Doch das lag daran, daß er eben da war und eine Frau nicht; dabei war er genauso hübsch und verführerisch wie eine Frau und überdies ohne weiteres geneigt, als Ersatz für eine Frau zu dienen. Onkel Mafio jedoch - das ging mir jetzt auf - mußte ihn ganz anders sehen; für ihn mußte Aziz ein wunderschöner Knabe sein, dessen man sich nur zu bedienen brauchte.
    Mir fielen andere Erlebnisse ein, bei denen es gleichfalls um Männer gegangen war: die hamman-Reiber zum Beispiel -und die Worte, die gefallen waren: etwa jener heimlich mitangehörte Wortwechsel zwischen meinem Vater und der Witwe Esther. Was aus dem hervorging, konnte ich nicht mehr verdrängen: Onkel Mafio liebte Menschen seines eigenen Geschlechts. Hier in muslimischen Landen war ein Mann mit diesen Neigungen nichts Besonderes, denn hier schien nahezu jeder Mann ähnlich geartet. Aber ich wußte sehr wohl, daß man sich in unserem zivilisierten Abendland über seinesgleichen lustig machte, daß man sie mit Hohn und Spott übergoß und sie verfluchte. Unter

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