Marco Polo der Besessene 1
als erster von der
Überraschung erholte und sich langsam erhob.
»Mendu, sain bina«, erwiderte einer der Fremden und machte
ein leicht erstauntes Gesicht.
Auch mein Vater stand auf, und er und Onkel Mafio vollführten
Gesten des Willkommens und fuhren fort, in einer Sprache mit
den Eindringlingen zu reden, die ich nicht verstand. Die zottigen
Männer zogen drei Pferde aus dem Nebel hinter sich und
führten die Tiere an den Quell. Erst nachdem sie sie getränkt
hatten, nahmen auch die Männer einen Schluck. Nasenloch, Aziz und ich erhoben uns vom Feuer und ließen die Fremden unseren Platz einnehmen. Mein Vater und Onkel setzten sich zu ihnen und holten zu essen aus unseren Vorräten und boten ihnen davon an. Sie blieben auch weiterhin sitzen und redeten, während die Besucher heißhungrig zulangten. Während ich mich bei der Unterhaltung diskret im Hintergrund hielt, sah ich mir die drei Neuankömmlinge genau an. Sie waren nicht groß und von untersetzter Statur. Ihre Gesichtsfarbe war gebräunt wie Ziegenleder, zwei von ihnen hatten einen langen schütteren Lippenbart; einen richtigen Vollbart hatte keiner von ihnen. Das kräftige schwarze Haar trugen sie lang und zu verschiedenen Zöpfen geflochten wie eine Frau. Die Augen, möchte ich wiederholen, waren nur Schlitze, so daß ich mich fragte, wie sie damit überhaupt sehen konnten. Jeder von ihnen trug einen kurzen, stark geschwungenen und nochmals geschwungenen Bogen auf dem Rücken und die Bogensehne über der Brust, dazu einen Köcher mit kurzen Pfeilen darin und an der Seite entweder ein kurzes Schwert oder ein langes Messer.
Ich erkannte jetzt, daß die Männer Mongolen waren, denn inzwischen war ich hin und wieder einem solchen begegnet, und dies Land war, wenn es auch nominell noch Persien war, eine Provinz des Mongolenkhanats. Warum jedoch schlichen drei Mongolen durch die Wildnis? Es schien sich nicht um Banditen zu handeln, und offensichtlich wollten sie uns auch nichts zuleide tun -zumindest hatten mein Vater und mein Onkel sie rasch davon abgebracht, falls sie es überhaupt vorgehabt hatten. Und warum hatten sie es so eilig? In der grenzenlosen Wüste hat kein Mensch es eilig.
Doch diese Männer blieben nur lange genug in der Oase, um zu essen und ihre Vorräte zu ergänzen. Möglicherweise wären sie nicht einmal so lange geblieben, wäre ihnen nicht unsere Verpflegung, mochte sie für uns auch noch so reizlos sein, als etwas Köstliches erschienen; denn diese Männer führten keinen Proviant mit sich bis auf in Streifen geschnittenes und getrocknetes Pferdefleisch, das aussah wie lederne Schnürsenkel. Mein Vater und mein Onkel waren ihren Gesten nach zu urteilen dabei, die Neuankömmlinge herzlich und beinahe keinen Widerspruch duldend aufzufordern, sich eine Weile auszuruhen, doch die Mongolen schüttelten nur den Kopf mit dem strähnigen Haar und verzehrten grunzend Hammelfleisch, Käse und Dörrobst. Dann standen sie auf, rülpsten anerkennend, nahmen die Zügel ihrer Pferde und saßen wieder auf.
In gewisser Hinsicht ähnelten die Pferde ihren Herren, denn sie waren außergewöhnlich zottig und machten einen ungezähmten Eindruck; dabei waren sie fast so klein wie die hinna-gefärbten Pferde in Baghdad. Sie waren mit getrocknetem Schaum und Staub bedeckt, denn sie waren scharf geritten worden, trotzdem reagierten sie so willig wie ihre Reiter, als es galt weiterzureiten. Einer der Mongolen richtete vom Sattel aus eine lange Ansprache an meinen Vater, die offensichtlich etwas Mahnendes hatte. Nachdem sie alle den Kopf ihrer Reittiere herumgedreht hatten, trabten sie in südlicher Richtung davon und waren fast gleich darauf vom nebligen Dunkel genauso verschluckt wie das Knarren und Klirren ihrer Waffen und ihres Zaumzeugs.
»Das war eine Kriegspatrouille«, beeilte sich mein Vater, uns zu berichten, als er sah, daß Nasenloch und Aziz ziemlich verängstigt dreinblickten. »Offenbar sind in letzter Zeit Banditen hier in der Wüste -nun ja -aktiv gewesen, und der Ilkhan Abagha wünscht, daß sie schnellstens der Gerechtigkeit überantwortet werden. Mafio und ich, die wir selbstverständlich um unsere eigene Sicherheit besorgt waren, haben versucht, sie zum Verweilen zu bewegen, uns zu beschützen oder zumindest eine Zeitlang mit uns zusammen zu reiten. Aber sie wollten unbedingt die Spur der Banditen weiter verfolgen und ihnen dicht auf den Fersen bleiben in der Hoffnung, sie mit Hilfe von Hunger und Durst zur Strecke zu
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