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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Schweißtuch aufbewahrt, das benutzt
    worden war, Jesus Christus die Stirn damit zu wischen.
    Dadurch sei das Tuch geheiligt worden, sagten sie, und jetzt
    könne es nie mehr vernichtet werden. Man könne es ins Feuer
    werfen und lange Zeit darin lassen, und es dann
    wunderbarerweise unversehrt und unversengt wieder
    herausholen. Auch hatte ich von einem berühmten Arzt gehört,
    welcher der Behauptung der Priester widersprach, der Schweiß
    des Herrn sei es, der das Schweißtuch gegen jede Vernichtung
    gefeit mache. Er behauptete, dies Tuch müsse aus der Wolle
     
    des Salamanders gewebt worden sein, jenes Tieres also, von dem Aristoteles behauptet, sein natürlicher Lebensraum sei das Feuer.
    Bei aller Hochachtung möchte ich beiden widersprechen, sowohl den frommen Gläubigen als auch den pragmatischen Aristotelikern. Denn ich machte mir die Mühe, mich nach dem feuerfesten Material zu erkundigen, das von den Gebr-Feueranbetern gewebt wird. Schließlich zeigte man mir, wie es gemacht wird, und in Wahrheit beruht die ganze Sache auf folgendem: In den Bergen in der Umgebung von Balkh findet sich ein erstaunlich weiches Gestein. Zerschlägt man es, fällt es nicht in kleinen Brocken oder wie Sand auseinander, sondern in Fasern wie roher Flachs. Und diese Fasern werden nach wiederholtem Einweichen und Gestampftwerden, nach Auswaschen und Trocknen, Kämmen und Ausziehen zu einem Faden gesponnen. Daß sich aus jedem Faden ein Stoff weben läßt, versteht sich von selbst, und nicht minder klar ist es, daß ein aus Felsgestein hergestelltes Tuch nicht brennt. Das eigentümliche Felsgestein, die rauhe Faser und der daraus gewebte Zauberstoff -all das gilt den Gebr genauso heilig wie das Feuer ihres Gottes Ahura Mazda, und sie belegen die Substanz mit einem Wort, das soviel bedeutet wie ›durch nichts zu besudelnder Stein‹ -und was ich mit dem Wort einer zivilisierteren Sprache als Amiant oder Asbest bezeichne.
    Mein Vater und Nasenloch blieben fünf, sechs Wochen fort, und da Onkel Mafio nur gelegentlich auf meine Anwesenheit Wert legte, verfügte ich über viel freie Zeit. Infolgedessen suchte ich noch mehrmals das Haus des alten Gebr-Persers auf -wobei ich jedesmal darauf achtete, Kleider anzuziehen, die keiner ›Reinigung‹ bedurften. Und jedesmal, wenn ich die Losung gab: »Zeigt mir Eure sanfteste Ware«, wollte der alte Mann sich ausschütten vor Lachen und schnaufte: »Aber Ihr seid doch das sanfteste und ansprechendste Wesen gewesen, das jemals seinen Fuß in diesen Laden gesetzt hat!«, und ich mußte dastehen und das Gefeixe über mich ergehen lassen, bis er schließlich nur mehr kicherte, meinen Dirham entgegennahm und mir s agte, welcher Raum gerade frei sei.
    Irgendwann einmal bestellte ich mir alle drei ›Waren‹, doch waren alle Mädchen Pakhtuni-Muslime und tabzir, was bedeutete, daß ich nur Entspannung bei ihnen fand, aber keine nennenswerte Befriedigung. Das hätte ich - weit billiger -auch bei den kuch-i-safari haben können. Ich lernte auch kaum ein paar Worte Pashtun von den Mädchen dazu und fand, es sei eine zu reizlose Sprache, als daß es sich lohnte, sie zu erlernen. Nur um ein Beispiel zu geben: Das Wort gau bedeutet, sofern beim Ausatmen gesprochen, ›Kuh‹, sofern jedoch beim einatmen ausgesprochen, ›Kalb‹. Man stelle sich vor, wie so ein einfacher Satz wie »Die Kuh hat ein Kalb« sich auf pashtun anhört, und dann male man sich aus, wie es sein müßte, eine etwas schwierigere Unterhaltung in dieser Sprache zu führen.
    Beim Hinausgehen durch den Asbestladen hingegen pflegte ich immer ein wenig zu verweilen, um mit dem Besitzer, dem Gebr, ein paar Worte auf farsi zu wechseln. Dieser pflegte zunächst immer ein paar spöttische Bemerkungen über den Tag zu machen, da ich mich als Frau hatte verkleiden müssen, doch ließ er sich auch herab, mir ein paar Fragen über seine eigentümliche Religion zu beantworten. Ich fragte ihn deshalb danach, weil er der einzige Anhänger dieser altpersischen Religion war, dem ich je begegnet war. Er gab auch zu, daß es heutzutage nur noch sehr wenige seiner Glaubensbrüder gebe, behauptete jedoch, seine Religion habe einst über allen anderen gestanden, und zwar nicht nur in Persien, sondern im Westen und Osten desgleichen, von Armenien bis Baktrien. Das erste, was er mir sagte, war, ich solle einen Gebr nicht einen Gebr nennen.
    »Das Wort bedeutet nichts als ›Nicht-Muslim‹ und wird von den Muslimen nur im verächtlichen Sinne gebraucht.

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