Marco Polo der Besessene 1
denn ihr sonstiger Lieblingsschmuck bestand aus einer Kappe oder Haube und einem knappen Umhang aus unzähligen kleinen, kauri genannten Muscheln, und die kauri-Muschel ist, wie jedermann leicht erkennt, ein vollkommenes Abbild der weiblichen Geschlechtsorgane, nur winzig klein.
Übrigens: voller Freude hörte ich, daß Buzai Gumbad einen Ausweg aus sexueller Bedrängnis bot, der nichts mit Vergewaltigung bei Trunkenheit, Sodomie und besonders sträflichem Ehebruch zu tun hatte. Wieder war es Nasenloch, der das herausbekommen hatte, kaum daß wir einen oder zwei Tage hier gewesen waren; wieder schob er sich seitlich an mich heran wie zuvor in Balkh und tat so, als sei er entsetzt über seine Entdeckung.
»Ein schändlicher Jude, diesmal, Mirza Marco. Er hat das hinterste kleine Gebäude der karwansarai gemietet, welches am weitesten vom See entfernt ist. Nach außenhin ist es ein Laden, in dem Messer und Schwerter und Werkzeuge geschliffen und geschärft werden. Hinten im Haus hält er jedoch eine Schar von Frauen aller Rassen und Hautfarben. Als guter Muslim sollte ich diesen Aasgeier, der sich hier auf dem Dach der Welt niedergelassen hat, anzeigen, doch werde ich das nicht tun, es sei denn, Ihr verlangt es von mir, nachdem Ihr ein christliches Auge auf diese Einrichtung geworfen habt.«
Ich sagte ihm, das werde ich tun, und so tat ich es denn auch
ein paar Tage später, nachdem wir ausgepackt und uns
eingerichtet hatten. Vorn im Laden hockte zusammengekauert
ein Mann und hielt ein Sichelblatt an einen Schleifstein, den er
mit Hilfe eines Tretmechanismus in Gang gesetzt hatte. Hätte
er kein Scheitelkäppchen getragen, man hätte ihn für einen
khers-Bären halten können, denn er war im Gesicht stark
behaart, und diese Locken und Barthaare schienen
überzugehen in einen ebenso bauschigen wie flauschigen
Pelzüberwurf. Mir fiel gleich auf, daß es sich bei dem Pelz um
kostbaren Karakul handelte -ein überaus elegantes
Kleidungsstück, wenn man so tat, als wäre man nichts weiter
als ein Scherenschleifer. Ich wartete auf eine Unterbrechung im
knirschenden Surren des Schleifsteins und des Funkenregens,
den er versprühte.
Dann sagte ich, so wie Nasenloch es mir eingeschärft hatte:
»Ich habe ein besonderes Werkzeug, das ich gern geschärft
und eingeölt hätte.«
Der Mann hob den Kopf, und ich blinzelte. Haar, Bart und
Augenbrauen sahen nach krusseligem rotem Pilzwuchs aus,
der anfing, grau zu werden, seine Augen waren wie
Brombeeren und seine Nase wie die . Klinge eines shimshir-
Säbels.
»Ein Dirham«, sagte er, »oder zwanzig shahi oder hundert
kauri-Muscheln. Wer als Fremder zum ersten Mal
hierherkommt, bezahlt im voraus.«
»Ich bin aber kein Fremder«, sagte ich gefühlvoll. »Kennt Ihr
mich denn nicht?«
»Ich kenne niemand. Auf diese Weise bleibe ich im Geschäft an
einem Ort, in dem es höchst widersprüchliche Gesetze gibt.«
»Aber ich bin Marco.«
»Hier legt Ihr Euren Namen ab, sowie Ihr das Untergewand
ablegt. Werde ich von irgendeinem naseweisen Mufti ins Verhör
genommen, kann ich wahrheitsgemäß sagen, daß ich keine
Namen kenne außer meinem eigenen, und der lautet Shimon.«
»Der Tzaddik Shimon?« fragte ich frech. »Einer von den
Lamed-vav? Oder alle sechsunddreißig zusammen?«
Er schien weder erschrocken noch mißtrauisch. »Ihr sprecht
Iwrith! Jude seid Ihr nicht! Was wißt Ihr von den Lamed-vav?«
»Nichts weiter, als daß ich ihnen offenbar immer wieder
begegne.« Ich seufzte. »Eine Frau namens Esther hat mir
gesagt, wie sie genannt werden und was sie tun.«
Voller Abscheu sagte er: »Genau kann sie es Euch nicht erzählt
haben, wenn Ihr einen Bordellbesitzer für einen Tzaddik haltet.«
»Sie sagte, die Tzaddikim täten Gutes für die Menschen. Das
tut ein Bordell meiner Meinung nach auch. -Aber wollt Ihr mich
denn nicht warnen, wie sonst auch immer?«
»Das habe ich gerade getan. Die karwan-Muftis können höchst
unangenehm werden. Posaunt Euren Namen hier also nicht so
heraus.«
»Ich sprach von der Blutrünstigkeit der Schönheit.«
Er stieß die Luft durch die Nase. »Wenn Ihr in Eurem Alter die
Gefahren der Schönheit noch nicht kennengelernt habt,
Fremder, will ich es nicht unternehmen, einen Narren
aufzuklären. Jetzt einen Dirham oder den Gegenwert davon,
oder verschwindet.«
Ich ließ die Münze in seine schwielige Hand fallen und sagte:
»Ich möchte gern eine
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