Marco Polo der Besessene 1
den schweinischen Dhoma ab; dafür sind sie bemüht, alle Länder der Erde mit ihrer Anwesenheit zu beglücken.«
Ich sagte: »Ihr Juden lebt doch auch über die ganze Welt verstreut. Wie kommt Ihr dazu, auf sie herabzublicken, bloß weil sie das gleiche tun?«
Er schaute mir in die Augen, antwortete dann jedoch wohlüberlegt, so als hätte ich diese bissige Bemerkung nicht gemacht. »Gewiß, wir Juden passen uns den Umständen an, die wir vorfinden, wenn wir irgendwohin kommen. Aber die Domm tun etwas, das wir nie tun würden: Anerkennung dadurch suchen, daß wir die Religion der Völker annehmen, unter denen wir lebten.« Und wieder lachte er. »Seht Ihr? Ein verachtetes Volk findet immer noch ein unter ihm stehendes, auf das es herabblicken und das es verachten kann.«
Die Nase rümpfend sagte ich: »Daraus folgert ja wohl, daß auch die Domm noch jemand haben, auf den sie herabblicken können.«
»O, ja. Auf jeden anderen in der Welt. In ihren Augen seid Ihr und bin ich und sind alle anderen Menschen Gazhi, was nichts anderes heißt als ›Gimpel, Opfer‹, diejenigen, die man belügen und betrügen darf.«
»Nun, ein hübsches Mädchen wie Eure Chiv da hinten braucht
doch nicht zu betrügen...« Unwirsch schüttelte er den Kopf. »Als Ihr hier hereinkamt, habt Ihr was von Schönheit gesagt, und daß man ihr gegenüber Mißtrauen bewahren sollte. Habt Ihr irgend etwas von Wert bei Euch getragen, als Ihr kamt?«
»Meint Ihr, ich sei ein Esel, daß ich irgendwas von Wert in ein Hurenhaus mitbrächte? Nur ein paar Münzen und meinen Dolch. Wo ist mein Dolch?«
Shimon setzte ein mitleidiges Lächeln auf. An ihm vorüber stürmte ich in den Hinterraum und ertappte Chiv dabei, wie sie glücklich eine Handvoll Kupferlinge zählte.
»Euren Dolch? Schon verkauft -habe ich nicht rasch gehandelt?« sagte sie, als ich schäumend über ihr stand. »Ich habe nicht erwartet, daß Ihr ihn so rasch vermissen würdet. Ich habe ihn eben an einen tazhikischen Hirten verkauft, der gerade an der Hintertür vorbeikam, und so ist er jetzt fort. Nur seid nicht böse auf mich. Ich werde jemand anders eine bessere Klinge stehlen und sie aufbewahren, bis Ihr wiederkommt; dann werde ich sie Euch geben. Ja, das werde ich tun -als Zeichen meiner Hochachtung vor Eurem guten Aussehen, Eurer Großmut und Eurem ungewöhnlichen Können beim surata.«.
So über die Maßen gelobt zu werden, half selbstverständlich, meinen Zorn zu beschwichtigen, und so erklärte ich, ich würde sie bald wieder besuchen. Gleichwohl, als ich mich das zweite Mal auf den Heimweg machte, schlich ich mich genauso heimlich an Shimon an seinem Schleifstein vorüber, wie ich bei anderer Gelegenheit in Frauenkleidern ein anderes Bordell verlassen hatte.
Wenn wir es von ihm verlangt hätten, Nasenloch wäre imstande gewesen, einen Fisch in der Wüste aufzutreiben. Als mein Vater ihn beauftragte, einen Arzt zu suchen, daß er uns seine Meinung darüber sage, ob Onkel Mafios tisichezza sich wirklich gebessert habe, hatte Nasenloch keine Schwierigkeiten, einen solchen aufzutreiben, selbst auf dem Dach der Welt. Und zwar einen sehr tüchtigen Arzt, der etwas von seiner Kunst verstand, denn diesen Eindruck machte der bereits etwas betagte und kahlköpfige Hakim Mimdad. Er war Perser, was allein ihn schon als gebildeten Mann auswies. Als Gesundheitsbewahrer begleitete er eine karwan persischer quali-Händler. Schon während der ganz allgemeinen Unterhaltung zu Beginn unserer Bekanntschaft bewies er mehr als reines Routinewissen in der Heilkunst. Ich erinnere mich noch, daß er sagte:
»Mir persönlich liegt mehr daran, Krankheiten zu verhüten, als sie heilen zu müssen, auch wenn sich durch reine Verhütung meine Börse nicht füllt. So lege ich zum Beispiel allen Müttern hier im Lager ans Herz, ihren Kindern nur abgekochte Milch zu geben. Ob es sich nun um yak-Milch, Kamelmilch oder sonst welche Milch handelt -ich rate ihnen dringend, sie zunächst in einem eisernen Topf zum Kochen zu bringen. Wie alle Welt weiß, fühlen die bösartigeren jinni und andere Dämonen sich von Eisen abgestoßen. Durch Experimente bin ich
dahintergekommen, daß durch das Abkochen die Eisensäfte
des Topfes an die Milch abgegeben werden, sich mit ihr
vermischen und auf diese Weise alle jinni abwehren, die nur
darauf lauern, die Kleinen mit irgendwelchen Kinderkrankheiten
heimzusuchen.«
»Das klingt einleuchtend«, sagte mein Vater.
»Ich trete nachdrücklich für Experimente
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