Marco Polo der Besessene 1
schrecklichen Kröpfen zu sehen bekommen und wußte, daß es mehr als eines bißchen Salzes bedurfte, um sie loszuwerden. Wieder lachte ich über die Leichtgläubigkeit und Torheit der Chola, und sie machten einen entsprechend gedemütigten Eindruck, woraufhin ich meiner Wege ging.
Die Reit-und Packtiere, die am Saum des Sees in Pferchen beisammenstanden, waren nahezu ebenso unterschiedlich und grundverschieden wie ihre Besitzer. Es gab selbstverständlich ganze Pferdeherden und auch ein paar sehr anständige Maultiere. Doch die vielen Kamele, die ich hier sah, waren von anderer Art als diejenigen, die ich zuvor gesehen hatte und wie man sie in den Tiefland-Wüsten benutzt. Diese waren nicht so groß und hatten nicht so lange Beine, sondern waren überhaupt massiger gebaut und sahen mit dem langen dicken Fell womöglich noch schwerfälliger aus. Auch hatten sie eine Mähne wie ein Pferd, nur, daß diese von der Wamme ihres langen Halses herunterhing und nicht von der Kruppe. Das Besondere an ihnen war jedoch, daß sie zwei Höcker aufwiesen statt nur einen; das machte es leichter, sie zu reiten, denn sie wiesen ja eine natürliche Sitzfläche zwischen den beiden Höckern auf. Man sagte mir, diese baktrischen Kamele seien am besten für winterliche Verhältnisse und bergiges Terrain geeignet, die einhöckerigen arabischen Kamel hingegen für Hitze, Durst und Wüstensand.
Noch ein Tier, das ich nicht kannte, war das Lasttier der Bho, von ihnen yyag von den meisten anderen Menschen yak genannt. Bei diesem Tier handelte es sich um ein kräftig und gedrungen gewachsenes Geschöpf mit dem Kopf eines Rinds und dem Schweif eines Pferdes -vorn und hinten an einem Körper, der dem Umriß und der Größe nach an einen Heuhaufen erinnerte. Der yak mag am Widerrist mannshoch sein, doch den Kopf trägt er tief unten, etwa in der Höhe des menschlichen Knies. Das Tier ist zottig, hat rauhes Haar schwarz oder grau oder hell und dunkel gefleckt -, und dieses Fell hängt bis auf den Boden herunter und verbirgt die Hufe dem Blick, die für den massigen Körper eigentlich zu zierlich aussehen. Dabei sind diese Hufe erstaunlich trittsicher und besonders für den Marsch über schmale Bergpfade geeignet. So ein yak grunzt und brummt wie ein Schwein und bewegt im Gehen unentwegt mahlend die Kiefer.
Später erfuhr ich, daß das yak-Fleisch ebenso gut schmeckt wie das beste Rindfleisch, doch während unseres Aufenthaltes dort hatte kein yak-Besitzer in Buzai Gumbad Gelegenheit, eines seiner Tiere zu schlachten. Allerdings molken die Bho die yackühe ihrer Herden, ein Unterfangen, das angesichts der gewaltigen Größe und der Unberechenbarkeit dieser Tiere nicht wenig Mut erfordert. Diese Milch, von der die Bho soviel hatten, daß sie freigebig anderen davon abgaben, wäre lobenswert köstlich gewesen, hätte sie nicht so viele yak-Haare enthalten. Das yak liefert auch noch andere brauchbare Dinge: aus dem rauhen Haar lassen sich Zelte herstellen, die so widerstandsfähig sind, daß sie selbst heftigen Gebirgsstürmen standhalten, und sehr viel feinere Schweifhaare, aus denen sich ausgezeichnete Fliegenwedel herstellen lassen.
Unter den kleineren Tieren in Buzai Gumbad sah ich viele von den rotbeinigen Rebhühnern, die ich andernorts in freier Wildbahn erlebt hatte; diesen hier waren die Flügel beschnitten worden, damit sie nicht davonflogen. Ich nahm an, daß sie entweder als Spieltiere oder als Insektenvertilger dienten - denn jedes Zelt und jedes Gebäude wimmelte von Ungeziefer. Bald jedoch erfuhr ich, daß diese Rebhühner für die Frauen der Kalash und Hunzukut einen ganz anderen und besonderen Zweck erfüllten.
Sie hackten diesen Vögeln die Beine ab, steckten das Vogelfleisch in den Topf und verbrannten die Beine zu einer feinen Asche, die in Form eines violetten Pulvers aus dem Feuer herauskam. Dieses Pulver benutzten sie so, wie andere Frauen im Orient al-kohl benutzen -als Schönheitsmittel, die Lider und Schatten unter den Augen zu vertiefen und die Augen damit vorteilhafter zur Geltung zu bringen. Die Kalash-Frauen bestrichen darüber hinaus ihr Gesicht über und über mit einer Salbe, die aus dem gelben Samen der bechu genannten Blumen hergestellt wurde, und ich kann bezeugen, daß Frauen mit einem vollständig leuchtend gelb geschminkten Gesicht, aus denen nur die violett umrandeten Augen hervorstachen, schon einen ganz besonderen Anblick bieten. Zweifellos meinten diese Frauen, die Bemalung mache sie sexuell attraktiver,
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