Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
empfehle ich, daß
    Ihr Euch beeilt, Euch in das von dem Juden Shimon betriebene
    Bordell zu begeben.«
     
    Onkel Mafio ließ ein mißtönendes Lachen ertönen, das mein
    Vater vielleicht besser zu deuten wußte als Hakim Mimdad.
    »Ich sehe den Zusammenhang nicht. Warum sollte ich das
    tun?«
     
    »Um Eure Manneskraft zu genießen, solange Ihr noch dazu in
    der Lage seid. Ich an Eurer Stelle, Mirza Mafio, würde mich
    beeilen, soviel zina zu bekommen, wie ich könnte. Es gibt für
    Euch nur zwei Möglichkeiten: vom kala-azar furchtbar entstellt
    zu werden und schließlich daran zu sterben, oder aber -wenn
    Ihr geheilt werden und am Leben bleiben wollt -ungesäumt
    damit anzufangen, das Antimon zu nehmen.«
     
    »Was soll das heißen -wenn! Selbstverständlich möchte ich
     
    geheilt werden.«
    »Überlegt es Euch gut. Manche würden lieber an der
    Schwarzen Krankheit sterben.«
     
    »In Gottes Namen -warum? Sprecht unverblümt und klar,
     
    Mann!«
    »Weil das Antimon, sobald es sich in Eurem Hodensack
    sammelt, beginnt, seine andere und verderbliche Wirkung zu
    zeigen, die darin besteht, Eure Hoden zu Stein werden zu
    lassen. Bald werdet Ihr vollständig impotent sein - und zwar für
    den Rest Eures Lebens.«
     
    »Gesu!«
    Niemand sagte einen Ton. Ein schreckliches Schweigen erfüllte den Raum, und offensichtlich traute sich niemand, es zu brechen. Schließlich ergriff Onkel Mafio selbst das Wort wieder und sagte kläglich: »Ich habe Euch Dotor Balanzon genannt, ohne zu ahnen, wie nahe ich der Wahrheit damit gekommen bin. Daß Ihr mir wirklich einen üblen Streich spielen würdet.
    Mich vor eine so lachhafte Wahl zu stellen: entweder
     
    elendiglich zugrunde zu gehen oder entmannt weiterzuleben.«
    »Aber das ist die Entscheidung, vor der Ihr steht. Lange könnt
    Ihr sie nicht mehr hinausschieben.«
     
    »Ich werde zum Eunuchen?«
    »Was die Wirkung betrifft - ja.«
    »Keinerlei Fähigkeit mehr in der Beziehung?«
    »Keine.«
    »Aber... vielleicht... dar mafa'ul be-vasilé al-badám?'«
    »Nakher. Das badám, der sogenannte dritte Hoden, versteinert
     
    gleichfalls.«
     
    »Dann gibt es also keinen Ausweg. Capón mal caponá. Und
    wie... steht es mit dem Verlangen?«
    »Nakher! Nicht einmal das.«
    »Ach was!« Onkel Mafio erstaunte uns alle, als das so heiter
     
    kam wie eh und je. »Warum habt Ihr das nicht gleich gesagt?
    Warum sich deswegen Sorgen machen, wenn ich doch nicht
    mehr den Wunsch haben werde, es zu tun? Überlegt doch nur!
    Kein Begehren -infolgedessen auch keine Notwendigkeit mehr,
    infolgedessen keine Plage mehr, infolgedessen keine
    komplizierten Folgen. Jeder Priester, der je von einer Frau,
    einem Chorknaben oder einem succubo in Versuchung geführt
    worden ist, sollte mich beneiden.« Für mich kam ich zu dem
    Schluß, daß Onkel Mafio keineswegs so heiter gestimmt war,
    wie er es gern hingestellt hätte. »Außerdem sind längst nicht
    alle meine Wünsche in Erfüllung gegangen. Der jüngste
    Gegenstand meines Verlangens ist in der Salzwüste versunken
    und verschwunden. Man kann daher von Glück sagen, daß
    dieser jinni der Entmannung sich nicht auf jemand gestürzt hat,
    den würdigere Sehnsüchte beherrschen.« Er ließ noch ein
    blökendes Lachen vernehmen, das schrecklich aufgesetzte
    Heiterkeit verriet. »Aber hört mich an -der ich hier wüte und
    dummes Zeug schwätze. Wenn ich mich nicht vorsehe,
    entwickle ich mich womöglich noch zu einem Moralphilosophen
     
    -der letzten Zuflucht des Eunuchentums. Da sei Gott vor!
    Einem Moralisten sollte man noch mehr aus dem Weg gehen
    als einem Sensualisten, no xe vero? Aber wirklich, guter hakim,
    ich entscheide mich fürs Leben. Beginnen wir damit, das
    Heilmittel einzunehmen -aber morgen reicht auch noch, nicht
    wahr?« Mit diesen Worten hob er seinen weitgeschnittenen
    chapon-Mantel auf und zog ihn über. »Wie Ihr mir gleichfalls
    verschrieben habt -solange es mich noch gelüstet, sollte ich
    dieser Lust nachgehen. Solange noch Säfte in mir sind, sie
    verschwenden, ja? Deshalb entschuldigt mich, meine Herren.
    Ciao.« Mit diesen Worten verschwand er und schlug mit Macht
    die Tür hinter sich zu.
     
    »Der Patient macht gute Miene zum bösen Spiel«, murmelte
     
    der hakim.
    »Vielleicht ist es aber auch ehrlich von ihm gemeint«, sagte
    mein Vater, ohne sich festzulegen. »Der unerschrockenste
    Seemann kann, nachdem viele Schiffe unter ihm versunken
    sind, dankbar sein, wenn er zuletzt an einen heiteren Strand
    geworfen

Weitere Kostenlose Bücher