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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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andere ein Kind. Oder beide Mißgeburten, die ein groteskes Paar abgaben.«
    »Gesu...«
    »Wurden sie der menschlichen Liebe -mochte sie noch so
    vielfältig und launisch sein -überdrüssig, konnten sie sich an
    den wiederum ganz anderen Lüsten ergötzen, wie sie Tieren
    und Schlangen, den dämonischen jinn und den lieblichen peri
    gegeben sind. Sie konnten zwei Vögel sein, die es mitten in der
    Luft im Fluge triebe, oder zwei Schmetterlinge, die es im Kelch
    einer duftenden Blüte taten.«
     
    »Welch bezaubernde Vorstellung!«
    »Oder aber sie konnten auch die Gestalt von zwei
    Hermaphroditen annehmen, so daß Majnun und Laila
    gleichzeitig ak-fa'il und al-mafa'ul füreinander waren. Die
    Möglichkeiten müssen unendlich gewesen sein, und sie
    müssen eine jede ausprobiert haben, denn das war es, was sie
    ihr Leben lang taten -bis auf die Zeit, da sie vorübergehend
     
    gesättigt waren und innehielten, um ein oder zwei Gedichte zu
    schreiben.«
    »Und Ihr hofft es ihnen gleichzutun?«
     
    »Ich? O, nein, ich bin alt und längst über jedes fleischliche Begehren hinaus. Außerdem sollte ein Adept sich nie um des eigenen Vorteils willen mit der al-kimia beschäftigen. Mir ist daran gelegen, den Liebestrank und seine Kraft allen Männern und Frauen zugänglich zu machen.«
    »Woher wollt Ihr wissen, daß es wirklich ein Liebestrank war, der sie zu allem instand setzte? Angenommen, es war ein Zauberspruch oder ein Gedicht, das sie vor jeder Verwandlung sprachen?«
    »In dem Fall bin ich geschlagen. Ich bin außerstande, ein Gedicht zu schreiben oder auch nur eines beredt vorzutragen. Bitte, kommt mir jetzt nicht mit entmutigenden Vorschlägen, Marco. Einen Liebestrank hingegen kann ich unter Beschwörungen aus Essenzen und Pulvern zusammenbrauen.«
    Für meine Begriffe war die Hoffnung, das zu schaffen, nur gering. Trotzdem fragte ich: »Nun? Habt Ihr denn schon irgendwelchen Erfolg gehabt?«
    »Einigen, ja. Daheim in Mosul. Eine meiner Frauen starb, nachdem sie einen meiner Tränke genossen hatte -aber sie starb mit einem beseligten Lächeln auf den Lippen. Eine Variante dieses Tranks schenkte einer anderen meiner Frauen einen ungemein lebendigen Traum. Sie fing im Schlaf an, ihre mihmb zu liebkosen und zu streicheln, ja, an ihr förmlich herumzureißen, und das war vor einer ganzen Reihe von Jahren, und sie hat bis jetzt nicht mehr aufgehört, das zu tun, denn sie ist nie aus diesem Traum erwacht. Jetzt lebt sie im Mosuler Haus der Enttäuschung in einem Raum, dessen Wände mit weichem Stoff bespannt sind, und jedesmal, wenn ich dorthin reise, um mich nach ihrem Befinden zu erkundigen, sagt mir mein dort zuständiger hakim-Kollege, sie sei immer noch in ihrer unendlichen Selbsterregung befunden. Ich wünsche, ich wüßte, wovon sie träumt.«
    »Gesu! Und das nennt Ihr einen Erfolg!« »Jedes Experiment, aus dem man etwas lernt, ist ein Erfolg. So habe ich seither die Schwermetallsalze aus meinem Rezept
    herausgelassen, denn ich bin zu dem Schluß gekommen, daß
    sie es sind, die das tiefe Koma oder auch den Tod hervorrufen.
    Heute neige ich den Forderungen des Anaxagoras zu und
    verwende nur organische und homöopathische Ingredienzien.
    Yohimbin, Kanthariden, Stinkmorcheln und dergleichen.
    Austern pulv., Nuß v. Onosm., Pip. nig., Heuschreckenkrebse...
    Daß der Behandelte nicht mehr erwacht, steht heute nicht mehr
    zu befürchten.«
     
    »Ich bin überglücklich, das zu hören. Und jetzt?«
    »Nun, da war ein kinderloses Paar, das alle Hoffnung
    aufgegeben hatte, je eine Familie zu gründen. Sie haben jetzt
     
    vier oder fünf stramme Jungen, und die Zahl ihrer weiblichen
    Nachkommen haben sie meines Wissens nie gezählt.«
    »Da kann man wohl in gewisser Weise wirklich von Erfolg
     
    sprechen.«
    »In gewisser Weise schon. Aber alle ihre Kinder sind
     
    Menschen. Und normal. Sie müssen auf die übliche Weise
    empfangen und gezeugt worden sein.«
    »Ich verstehe, was Ihr meint.«
    »Und das waren die letzten, die sich freiwillig erboten haben,
     
    meinen Liebestrank auszuprobieren. Ich argwöhne, daß jener
    hakim vom Haus der Enttäuschung in Mosul dort in der Gegend
    Gerüchte in Umlauf gesetzt hat, obwohl das gegen den Eid der
    Ärzte verstößt. Deshalb besteht meine Hauptschwierigkeit nicht
    im Herstellen neuer Varianten des Liebestranks, sondern darin,
    Personen zu finden, die sich dem Versuch unterziehen, ihn
    auszuprobieren. Ich selbst bin dafür zu alt, und meine mir noch
    verbliebenen

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