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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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Buzai Gumbad, besaßen schärfere Augen. Jedesmal, wenn sie den pulu über die Siegerlinie hinwegfliegen sahen, erscholl es von der ganzen Menge: »Go! Go-o-o!« -ein Hunzuk-Wort, das besagte, daß eine Mannschaft einen Punkt gewonnen hatte -, und gleichzeitig setzte eine Gruppe von Musikanten mit einem schrilltönenden Durcheinander von Trommelwirbeln und Flötentrillern ein.
    Zu Ende war ein Spiel erst dann, wenn es einer der beiden Mannschaften gelungen war, den pulu neunmal über die Siegerlinie hinwegzutreiben. Infolgedessen konnte es passieren, daß die aus zwölf Pferden bestehende Herde einen ganzen Tag über den immer weicher und tückischer werdenden Boden des Spielfelds dahindonnerte, wobei die Spieler schrien und fluchten und die Zuschauer aufmunternd brüllten, die Schläger aufeinanderprallten und nicht selten dabei zersplitterten und im aufgeweichten Gelände Spieler und Pferde und Zuschauer und Musikanten mit Schlamm bespritzt wurden, Reiter aus dem Sattel fielen, sich in Sicherheit zu bringen versuchten und fröhlich von ihren Kameraden über den Haufen geritten wurden, und gegen Ende des Tages, wenn das Feld nur mehr ein zähflüssiger Morast war, rutschten auch die Pferde aus und gingen zu Boden. Es war jedesmal ein herrliches Ereignis, und ich versäumte keine Gelegenheit, es zu verfolgen.
    Das andere Spiel ging ähnlich; auch dieses wurde von vielen Reitern gespielt, doch spielte es hierbei keine Rolle, wie viele es waren, denn es gab keine Mannschaften. Jeder Reiter spielte für sich selbst gegen alle anderen. Das Spiel hieß bouskashia, was, wie ich meine, ein tazhikisches Wort ist; dabei ist dieses Spiel keine Besonderheit irgendeines Volkes oder Stammes; irgendwann einmal spielte jeder mit. Statt um einen pulu ging es beim bous-kashia um den Kadaver einer Ziege, der man gerade den Kopf abgehackt hatte.
    Das frisch getötete Tier wurde einfach zwischen die Pferdehufe auf den Boden geworfen, woraufhin viele Reiter ihren Pferden die Sporen gaben und darauf zudrängten, sich gegenseitig wegstießen und beiseite drängten, schoben und schubsten und versuchten, hinunterzulangen und die Ziege vom Boden hochzureißen. Wem das gelang, der mußte den Ziegenkadaver im Galopp quer durchs Feld über die Linie am anderen Ende des Feldes tragen. Aber selbstverständlich wurde er von allen anderen dabei verfolgt, die versuchten, ihm seine Trophäe zu entreißen, oder sein Pferd abzudrängen oder gar zum Straucheln zu bringen oder ihn aus dem Sattel zu stoßen. Wer immer es schaffte, das tote Tier an sich zu bringen, wurde daraufhin zum Opfer aller anderen Reiter. Infolgedessen geriet das ganze Spiel schließlich zu einer Rauferei zu Pferde, aus der nur wenige heil herauskamen; auch viele Zuschauer bekamen einen Tritt von der dahinstiebenden Pferdeherde ab, wurden umgeritten und verloren das Bewußtsein, wenn die durch die Luft fliegende Ziege oder auch nur eine ihr herausgerissene Keule sie traf.
    In diesen langen Wintermonaten auf dem Dach der Welt, wenn ich nicht gerade diesen Spielen oder Tänzen zusah oder mich mit Chiv auf dem hindomh-Bett vergnügte oder anderem Zeitvertreib nachging, verbrachte ich auch manch eine ernstere Stunde im Gespräch mit Hakim Mimdad.
    Onkel Mafio legte es nicht darauf an, daß man irgend etwas zu seiner Krankheit oder zu den damit verbundenen anderen Mißlichkeiten sagte. Er nahm das zerstoßene Antimon nach Vorschrift ein, und wir sahen, daß er wieder zunahm, was er zuvor abgenommen hatte, und überhaupt von Tag zu Tag kräftiger wurde; doch wir versagten es uns, neugierig nachzufragen, wann genau diese Arznei ihn zu einem Eunuchen machte, und er selbst rückte von sich aus auch nicht damit heraus. Da ich ihm während unseres Aufenthaltes in Buzai Gumbad nie in Begleitung eines Knaben oder irgendeines anderen Partners antraf, vermag ich auch nicht zu sagen, wann er schließlich davon Abstand nahm, derlei Beziehungen zu suchen. Trotzdem suchte der hakim uns in regelmäßigen Abständen auf, um sich routinemäßig von Onkel Mafios Fortschritten zu überzeugen und die Dosis des Antimons, die er zu sich nahm, entweder zu verringern oder zu vergrößern. Nach der Untersuchung seines Patienten saßen er und ich oft zusammen und unterhielten uns, denn ich fand, daß er ein ausnehmend interessanter Bursche sei. Wie jeder andere medego, den ich erlebt habe, betrachtete Mimdad seine tägliche Arbeit als Arzt nur als notwendiges Übel, dem er sich unterziehen mußte, um sich seinen

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