Marco Polo der Besessene 1
bisweilen erschreckend, auch dann, wenn es nicht mit irgendwelchen Geräuschen oder anderen Peinlichkeiten verbunden ist. Diesmal handelte es sich um etwas anderes, etwas, das mir nie zuvor widerfahren war. Es fühlte sich an, als hätte ich irgendein kleines schlafendes Tier verschluckt, dies sei tief in meine Eingeweide hinabgezogen worden und dort plötzlich erwacht, hätte sich gestreckt und gegähnt. Mein Gott, dachte ich, was ist, wenn es versucht, sich seinen Weg freizukämpfen?
In diesem Augenblick bewegte es sich erneut, und wieder schrie ich auf, denn es schien drauf und dran, genau das zu tun
-sich freizukämpfen. Doch tat es das nicht. Die Bewegung ließ nach, und ich schämte mich, geschrien zu haben. Vielleicht hatte das im Schlaf zusammengerollte Tier sich nur ein wenig anders hingelegt, vielleicht, um auszuprobieren, wie weit es sich überhaupt bewegen konnte! Wieder spürte ich es zwischen meinen Beinen feucht werden und meinte, mich in meiner Angst neuerlich naß gemacht zu haben. Doch als ich mit der Hand dort unten herumfühlte, spürte ich etwas Schlimmeres als Urin. Ich hob mir die Hand vor die Augen und sah, daß die Finger sich in einer scheußlichen Substanz verfangen hatten, die sich in Fäden zwischen Schritt und Hand zogen und feucht dahingen und träge ausein-anderrissen. Diese Substanz war feucht, aber nicht flüssig; es handelte sich um einen grauen Schleim, wie Nasenschleim, und dazwischen Blutgerinnsel. Ich fing an, über den Hakim Mimdad und seinen unheiligen Liebestrank zu schimpfen. Nicht nur, daß ich durch ihn zu der Gestalt einer häßlichen Frau gekommen war, sondern auch noch zu der einer Frau, mit deren Geschlechtsteilen irgend etwas nicht stimmte, die in irgendeiner Weise krank war und da unten scheußliche Ausscheidungen absonderte.
Wenn ich in meiner neuen Hülle wirklich krank oder verletzt war, dachte ich, wagte ich es besser nicht, sie sich erheben und nach Chiv Ausschau halten zu lassen. Da blieb ich besser so liegen, wie ich lag. Daher rief ich noch ein paarmal nach ihr, allerdings ohne Erfolg. Ich fing sogar an, nach Shimon zu rufen, obwohl ich mir vorstellen konnte, wie der Jude feixen und in sich hineinkichern würde, wenn er mich in weiblicher Gestalt daliegen sah. Doch auch er kam nicht, und jetzt bedauerte ich, ihn im voraus für einen so langen Besuch bezahlt zu haben. Welche Geräusche und Rufe er auch von hier innen hörte wahrscheinlich hielt er alles für den Ausdruck ausgelassenen Liebesspiels, in das er sich nicht einmischen wollte.
Lange lag ich auf dem Rücken, und es geschah nichts weiter, als daß der Raum immer heißer wurde, ich immer verschwitzter und zum Drang des Wasserlassens jetzt auch noch der kam, meine Notdurft zu verrichten. Möglich, daß das eingebildete kleine Tier in mir mit seinem ganzen Gewicht auf meine Blase und die Eingeweide drückte und sie über Gebühr belastete. Ich mußte mich bewußt anstrengen, nicht einfach alles laufen zu lassen, schaffte das allerdings, denn ich wollte mich nicht im Liegen entleeren und das ganze Lager beschmutzen. Dann, unversehens, so als wäre die Tür auf den tauenden Schnee draußen geöffnet worden, überfiel mich ein Kälteschauer. Die Schweißschicht auf meinem Leib wurde zu Eis, ich zitterte an allen Gliedern, ich mußte mit den Zähnen klappern, ich bekam am ganzen Körper eine Gänsehaut, und meine ohnehin schon hochstehenden Brustwarzen standen noch strammer. Ich hatte nichts, mich zuzudecken; wenn meine Kleider noch auf dem Boden lagen, so konnte ich sie weder sehen noch erreichen, und ich hatte Angst; aufzustehen und nachzusehen. Doch dann war das Frösteln plötzlich vorüber, der Raum so feuchtheiß wie zuvor, und wieder brach mir der Schweiß aus und rang ich nach Luft.
Da ich sonst nicht viel hatte, darüber nachzusinnen, versuchte ich eine Bestandsaufnahme meiner Gefühle vorzunehmen. Es waren ihrer viele und sehr unterschiedlicher Art. Ich verspürte ein bestimmtes Maß an Erregung: Der Liebestrank hatte gewirkt, zumindest teilweise. Auch so etwas wie Erwartung verspürte ich: der Liebestrank mußte noch mehr bewirken, vielleicht erwies sich das, was noch kam, als interessant. Doch die meisten Gefühle, die mich bewegten, waren alles andere als angenehm. Ich fühlte mich unbehaglich: meine Hände verkrampften sich immer wieder, und das Bedürfnis, den Darm zu entleeren, war übermächtig geworden. Ekel befiel mich: da flöß immer noch dieser eiterähnliche Brei aus meiner mihrab
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