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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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heraus. Ärger durchlief mich: in diese Situation gebracht worden zu sein -und ich hatte Selbstmitleid: gezwungen worden zu sein, diese Situation ganz allein über mich ergehen lassen zu müssen. Da war nagendes Schuldgefühl: von Rechts wegen hätte ich in der karwansarai sein sollen, um meinen Gefährten beim Packen und den Vorbereitungen für die Weiterreise zu helfen und nicht einfach meiner Neugier zu folgen. Ich empfand Angst: nicht wirklich zu wissen, was der Liebestrank mir womöglich noch alles bringen würde -und Besorgnis: daß das, was mir jetzt noch widerfuhr, sich auch als nicht besser erwies denn das, was ich bereits erfahren hatte.
    Dann, in einem lähmenden Augenblick, fielen alle Gefühle von mir ab, wurden hinweggewischt und ausgelöscht von dem einen, das Vorrang hat vor jedem anderen -Schmerz. Es war ein Schmerz, der wie ein Riß durch meine niederen Regionen ging, und ich hätte wohl glauben können, das Geräusch zu hören, den das machen mußte, als wenn ein kräftiger Stoff auseinandergerissen würde -nur, daß ich ausschließlich meinen eigenen Angstschrei hörte. Ich hätte meinen sollen, mit meinem Betrügerbauch bersten zu müssen, doch wurde dieser dermaßen von dem Schmerz geschüttelt, daß ich mich an den Seiten der sich wiegenden hindora halten mußte, um nicht hinausgeworfen zu werden.
    Jedesmal, wenn Angst einen überfällt, versucht man sich instinktiv zu bewegen in der Hoffnung, Bewegung könne sie beschwichtigen; und die einzige Bewegung, die ich machen konnte, war, die Beine anzuziehen. Da das ganz jählings geschah, verlor ich die Beherrschung über andere, feinere Muskeln, und in plötzlicher feuchter Wärme schoß der Urin aus mir heraus, über mich hinweg und lief mir die Hinterbacken herunter. Statt nun rasch abzuklingen, nahm der Schmerz nur ganz langsam Abschied und ging auf in einem Wechselbad von Hitze und Kälte. Ich zuckte jedesmal zusammen, wenn ein Fieberanfall einem Kälteschauder wich und dieser wieder der Fieberhitze. Nachdem dies Geschütteltwerden allmählich verebbte und ich in Schweiß und Urin gebadet dalag, fühlte ich mich schlaff und schwach und keuchte, als wäre ich gegeißelt worden, und da ich nunmehr Worte von mir geben konnte, rief ich laut: »Was geschieht mit mir?«
    Und plötzlich wußte ich es. Schau: auf diesem Lager liegt eine Frau flach auf dem Rücken, und zum größten Teil ist ihr Körper auch flach und nur dort gewölbt und gerundet, wo es ein Frauenkörper sein soll -bis auf den grauenhaft aufgetriebenen Bauch. Sie liegt mit angewinkelten und auseinanderklaffenden Beinen da und legt ihre mihrab bloß, die fest geschlossen und fühllos ist vor lauter Spannung. Irgend etwas ist dort oben in ihr. Das ist es, was den Bauch so dick macht, und es lebt, und sie hat gespürt, wie es sich regt, und sie hat die ersten Stiche verspürt, die kommen, wenn es dort herauswill, und wo sonst soll es herauskommen, wenn nicht durch den mihrab-Kanal zwischen ihren Beinen! Ganz offensichtlich handelt es sich um eine Frau in fortgeschrittener Schwangerschaft, eine Frau, die im Begriff steht zu gebären.
    Alles schön und gut, diese unbeteiligte, kühle Betrachtungsweise. Nur war ich keine Zuschauerin; ich war es. Nämlich jenes bemitleidenswerte, langsam sich windende Wesen auf dem Lager, das in seiner absurden Haltung Ähnlichkeit aufwies mit einem auf dem Rücken liegenden Frosch - das war ich.
    Gesu, Maria, Isepo, dachte ich -und ließ den Rahmen der hindern los, um mich zu bekreuzigen -, wie war es möglich, daß der Liebestrank zwei Wesen aus mir gemacht und dann noch ein drittes in mich hineingesteckt hatte? Was immer das in mir war, mußte ich jetzt den ganzen Geburtsvorgang durchstehen7 Wie lange dauert so etwas? Was macht man, um ihn voranzubringen? Und außer diesen Dingen dachte ich noch manches von dem Hakim Mimdad, das sich nicht so ohne weiteres wiederholen läßt und womit ich ihn zur Hölle wünschte. Das war vielleicht unklug von mir, denn wenn ich jemals einen hakim brauchte, dann jetzt. Nie hatte ich näher etwas mit einer Geburt zu tun gehabt als bei dem einen oder anderen Mal, da ich erlebt hatte, wie ein blauviolettes, wie geschunden aussehendes Kind in Venedig aus dem Wasser gezogen worden war. Ich hatte noch nicht einmal eine Straßenkatze jungen sehen. Die venezianischen Hafenrangen, die in derlei Dingen mehr Erfahrung besaßen als ich, hatten gelegentlich über dieses Thema geredet, doch das einzige, woran ich mich erinnerte, war

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