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Marco Polo der Besessene 1

Marco Polo der Besessene 1

Titel: Marco Polo der Besessene 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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einer Grimasse. »Bis jetzt ist er eine Katastrophe nach der anderen gewesen. Unsere letzte Hoffnung war, daß der fromme Ludwig aus Frankreich die Führung übernehmen würde, da er beim letzten Kreuzzug so erfolgreich gewesen war. Aber er wurde krank und starb auf dem Weg hierher. Sein Bruder hat seinen Platz eingenommen, aber Charles ist nur ein Politiker und vertut seine ganze Zeit mit Verhandlungen. Zu seinem eigenen Vorteil, wie ich hinzusetzen könnte. Jeder christliche Monarch, der irgendwie mit diesem ganzen Durcheinander zu tun hat, sucht nur seine eigenen Interessen zu mehren. Keinem geht es dabei um die Christenheit insgesamt. Was wunder, daß die Ritter enttäuscht sind und keinen Schwung mehr haben.«
    Mein Vater meinte: »Die draußen sehen in der Tat nicht
    sonderlich unternehmungslustig aus.« »Die wenigen, die noch nicht nach Hause gezogen sind, kann ich nur selten aus den Lotterbetten ihrer Liebchen herausholen, um einen Ausfall gegen den Feind zu machen. Selbst im Felde ziehen sie das Bett dem Kampf vor. Eines Nachts - das ist noch gar nicht lange her - schliefen sie alle, als ein sarazenischer hashishi durch die Wachen hindurchschlüpfte und sich in mein Zelt schlich. Könnt Ihr Euch das vorstellen? Und ich trage kein Schwert unter meinem Nachtgewand. Ich mußte einen dornbewehrten Kerzenhalter ergreifen und mich seiner damit erwehren.« Der Prinz stieß einen tiefen Seufzer aus. »So, wie die Dinge stehen, muß ich selbst meine Zuflucht zur Politik nehmen und verhandeln. Im Augenblick verhandle ich mit einer Gesandtschaft der Mongolen; ich hoffe nämlich, ein Bündnis gegen unseren gemeinsamen Feind, den Islam, mit ihnen zu schließen.«
    »Daher also«, sagte mein Onkel. »Wir hatten uns schon
    gewundert, einige Mongolen in der Stadt zu sehen.« Voller Hoffnung hob mein Vater an: »Dann paßt unser Vorhaben sehr gut zu dem Euren, Königliche Hoheit...«
    Die Tür ging wieder auf, Prinzessin Eleanor kehrte zurück und brachte einen großgewachsenen, gleichwohl jedoch schon recht betagten Mann mit, der eine prachtvoll bestickte Dalmatika trug. Prinz Edward übernahm die Vorstellung: »Der Hochehrenwerte Tebaldo Visconti, Archidiakon von Lüttich. Dieser redliche Herr geriet ob der Unfrömmigkeit seiner Amtsbrüder in Flandern in Verzweiflung und bewarb sich um das päpstliche Legat, mich hierher zu begleiten. Teo, die drei Herren hier sind fast Nachbarn Eures heimatlichen Piacenza. Die Polo stammen aus Venedig.«
    »Wahrhaftig, Pantaleom«, sagte der alte Mann und nannte uns bei unserem hassenswerten Spitznamen, mit denen die Bürger rivalisierender Städte die Venezianer belegen. »Seid Ihr hier, um den Handel Eurer schändlichen Republik mit den Ungläubigen noch auszuweiten?«
    »Aber, aber, Teo«, sagte die Prinzessin peinlich berührt. »Ich habe Euch doch gesagt, die Herren sind nicht hier, um Handel zu treiben, durchaus nicht.«
    »Wenn nicht das, um welche Schändlichkeiten dann zu
    begehen?« sagte der Archidiakon. »Ich glaube alles, nur nichts Gutes über Venedig. Lüttich war schon schlimm genug, aber Venedig ist überall berüchtigt als das Babel des Abendlandes. Eine Stadt voll habgieriger Männer und geiler Frauen.«
    Bei diesen Worten war mir, als hätte er den Blick insbesondere auf mich gerichtet -gleichsam, als wüßte er von meinen Abenteuern in jenem Sündenpfuhl. Schon schickte ich mich an, zu meiner Rechtfertigung zu beteuern, ich sei nicht habgierig, doch kam mein Vater mir zuvor, indem er beschwichtigend sagte:
    »Vielleicht ist unsere Stadt zu Recht als verrufen bekannt, Ehrwürden. Tuti semofati de carne. Aber wir sind nicht im Auftrag Venedigs unterwegs. Wir überbringen nur eine Bitte des Khans Aller Khane der Mongolen, und das kann nur dem ganzen Abendland und unserer heiligen Mutter, der Kirche, zum Vorteil gereichen.« Sodann fuhr er fort, dem hohen geistlichen Herrn zu erklären, Kubilai habe um Missionare gebeten. Visconti hörte ihn an, fragte dann jedoch hofartig: »Warum Euch an mich wenden, Polo? Ich bekleide nur das Amt eines Diakons, bin ein ernannter Administrator, nicht einmal ordinierter Priester.«
    Ja, er war noch nicht einmal höflich, und ich hoffte, mein Vater würde ihm das sagen. Doch der meinte nur: »Ihr seid der höchste kirchliche Würdenträger im Heiligen Land. Der Legat des Papstes.«
    »Es gibt keinen Papst«, erwiderte Visconti. »Und solange keine apostolische Autorität gewählt worden ist -wer bin da ich, hundert Priestern zu

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