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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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an den riesigen Ohren des Tieres und an den hauda-Gurten festgehalten.
    Als der Elefant abermals den Rüssel nach hinten schlug, wünschte ich völlig verwirrt, er hätte sich etwas anderes einfallen lassen als ausgerechnet jetzt zu niesen. Dabei stellte sich heraus, daß er genau das getan hatte - er hatte sich etwas Besseres einfallen lassen. Er ringelte mir seinen Rüssel um die Hüfte und hob mich, als wäre ich leichter denn ein trockenes Blatt, von seinem Kopf herunter, drehte mich mitten in der Luft und setzte mich auf die Erde - genau zwischen sic h und dem wutschnaubenden, mit den Vorderpfoten stampfenden Eber. Ich wußte nicht, ob der Elefant die Bosheit besaß, mich, den neu riechenden Fremden, die Hauptlast des angreifenden Ebers abbekommen zu lassen, oder ob er dazu abgerichtet worden war, genau dies zu tun, um dem Jäger Gelegenheit zu geben, noch einen zweiten Schuß auf sein Opfer abzufeuern. Doch wenn er meinte, mir damit einen Gefallen getan zu haben, hatte er sich geirrt, denn ich stand ohne Pfeil und Bogen da, die beide noch in der hauda lagen. Ich hätte mich umdrehen und hinschauen können, ob seine kleinen Augen zwischen den grauen Runzeln boshaft leuchteten oder besorgt dreinschauten -Elefantenaugen sind so ausdrucksvoll wie die von Frauen -, aber ich wagte es nicht, dem verwundeten Wildeber den Rücken zuzukehren.
    Von meinem Standpunkt aus nahm er sich größer aus als die ausgewachsene Sau einer Hausschweinrasse -und unendlich viel wilder. Den schwarzen Rüssel dicht über dem Boden, darüber die vier tückischen Hauer und noch weiter oben die brennenden roten Augen, die borstenstarrenden, zuckenden Ohren und dahinter die kraftstrotzenden Schultern, die sich duckten, um zum Angriff anzusetzen. Ich fuhr mit der Hand nach meinem Dolch im Gürtel, riß ihn heraus, hielt ihn vor mich und waf mich buchs täblich im selben Augenblick, da er losstürmte, auf den Eber. Hätte ich auch nur einen Moment länger gewartet, wäre es zu spät gewesen. Ich landete auf dem langgezogenen Schädel des Ebers und auf seinem kräftigen Nacken, doch die Hauer des Tieres fuhren nicht in die Höhe in meine Lenden, dazu starb es zu schnell. Mein Dolch drang durch die Decke tief in das Fleisch hinein, ich drückte im Augenblick des Zustoßens den Griff, so daß ich praktisch mit allen drei Klingen auf einmal in das Tier hineinfuhr. Der sterbende Eber trug mich ein paar Schritte mit sich fort, dann gaben die Beine unter ihm nach, und wir brachen aufeinanderliegend zusammen. Rasch rappelte ich mich hoch aus Angst, das Tier könnte mir noch mit seinen letzten Zuckungen gefährlich werden. Doch als es nur still und blutend dalag, zog ich erst meinen Dolch heraus, dann den Pfeil und wischte beide an dem mit stachelähnlichen schwarzen Borsten bedeckten Flanken ab. Während ich die Klingen des zuverlässigen Dolchs zusammenklappte und zurücksteckte in die Scheide, schickte ich in Gedanken nochmals ein herzliches Dankeschön in eine räumlich wie zeitlich bereits ferne Vergangenheit. Dann drehte ich mich um und bedachte den Elefanten und den mahawat mit einem weniger dankerfüllten Blick. Letzterer saß da und betrachtete mich ehrfurchtsvoll und bewundernd. Doch der Elefant stand nur da, trat wiegend von einem Fuß auf den anderen und betrachtete mich seinerseits mit einer selbstgefälligen weiblichen Haltung, als wollte er sagen: »Siehst du? Du hast genau das getan, was ich von dir erwartet habe«, und genau mit diesen Worten hat sich zweifellos die befreite Prinzessin an San Zorzi -oder den heiligen Georg gewandt, nachdem er ihren Wächter, den Drachen, erschlagen hatte.
    2
     
    Zurück im Palast von Xan-du, nahm Kubilai mich zu einem Spaziergang in die Gärten mit, während er darauf wartete, daß die Köche die Eber fürs Abendessen zubereiteten -meine eigene Trophäe sowie etliche andere Wildeber, die von anderen Jägern zur Strecke gebracht worden waren (letztere hatten die ihren jedoch aus der üblicheren und sichereren Entfernung mit dem Speer erlegt). Der Nachmittag ging in die Dämmerung über, als der Khakhan und ich auf einer nach unten gewölbten Brücke standen und über einen nicht gerade kleinen künstlichen See hinüberschauten. Der See wurde von einem kleinen Wasserfall gespeist, vor dem die Brücke dergestalt gebaut worden war, daß sie die Gestalt des Buchstabens U hatte und Stufen vom einen Ufer hinunter-und zum anderen wieder hinaufführten, so daß die Mitte der Brücke das Wasser fast zu Füßen

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