Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
Vom Netzwerk:
die man überall auf der Welt nachmachen werde, welche die Jahrhunderte überdauern und die Kunst des Krieges grundlegend verändern und die Namen Shi und Polo und Boucher unsterblich machen werde.
    »Jetzt aber mal Schluß!« verwahrte ich mich. »Meister Shi, Ihr selbst habt gesagt, daß das flammende Pulver von irgendeinem unbekannten Han erfunden worden sei.«
    »Peu de chose!«. rief Boucher. »Bis sein ganzes Potential von einem hellen Venezianer, einem abtrünnigen Juden und einem brillanten jungen Franzosen erkannt wurde, war es doch nichts als eine Spielerei!«
    »Gan-bei!« rief der alte Shi. »L'chaim!«, während er uns allen mit einem Pokal mao-tai zutrank und diesen dann auf einen Zug leerte. Boucher tat ihm darin Bescheid, doch ich nippte an dem meinen nur. Sollten meine Mitunsterblichen sich sinnlos betrinken; ich würde das nicht tun, denn ich brauchte meine fünf Sinne hinterher noch.
    Uighur-Spielleute spielten während der Mahlzeit -zum Glück ziemlich leise -, und hinterher wurden wir von Jongleuren und Seiltänzern unterhalten, und danach von einer Truppe, die ein Stück aufführte, das mir -bei aller äußerlichen Fremdheit irgendwie vertraut vorkam. Ein Han-Geschichtenerzähler leierte und dröhnte und belferte die Geschichte sowie die darin vorkommenden Unterhaltungen heraus, während seine Helfer die Fäden jener Marionetten zogen, welche die verschiedenen Rollen darstellten. Ich konnte kein Wort verstehen, fand jedoch die Geschichte völlig verständlich, weil die Han-Charaktere gealterter Gehörnter, komischer Arzt, höhnischer Bösewicht, aufgeblasener Beamter, Mädchen mit Liebeskummer, kühner Held und so weiter - denen eines venezianischen Puppentheaters erkennbar ähnlich waren; unserem betrunkenen Pantaleone, dem Kurpfuscher Dotòr Balanzón, der durchtriebenen Pulcinella, dem beschränkten Advokaten Dotôr da Nulla, der koketten Colombina, dem flotten Trovatore und so fort. Kubilai jedoch schien wenig Gefallen an der Vorführung zu finden und erklärte polternd für die in seiner Nähe Sitzenden: »Warum Puppen benutzen, um richtige Menschen wiederzugeben?« (Was in späteren Jahren die Schauspielertruppen getreulich taten: sie verzichteten auf den Erzähler und die Mario netten und bedienten sich menschlicher Schauspieler, die ihre Rolle in der Geschichte sprachen.)
    Die meisten Angehörigen des Hofes trieben noch laut ihre Scherze und waren guter Dinge, als ich mich in meine Gemächer zurückzog. Offensichtlich hatte Kubilai seine Anweisungen schon vorher gegeben, denn ich war gerade ins Bett gestiegen und hatte die Nachttischlampe noch nicht ausgeblasen, als es an meiner Tür kratzte und eine junge Frau mit etwas eintrat, das genauso aussah wie eine kleine weiße Truhe.
    »Sain bina, sain nah, sagte ich höflich, doch sie gab keine Antwort, und als sie ins Lampenlicht trat, erkannte ich, daß sie keine Mongolin war, sondern eine Han oder einem der den Han verwandten Völker angehörte.
    Offensichtlich handelte es sich nur um eine Dienerin, die alles für das Erscheinen ihrer Dame vorbereitete, denn jetzt erkannte ich, daß dasjenige, was sie in Händen trug, nichts weiter war als ein Weihrauchbrenner. Hoffentlich war ihre Herrin genauso reizvoll und ebenso bezaubernd zart wie diese Dienerin. Sie setzte den Brenner -eine Porzellandose mit Deckel, die aussah wie ein Schmuckkästchen und mit einem verschlungenen, erhaben gearbeiteten Muster versehen war -in der Nähe meines Bettes nieder. Dann nahm sie meine Lampe, bat fragend und lächelnd um Erlaubnis, und benutzte, nachdem ich nickend mein Einverständnis gegeben hatte, die Flamme der Lampe, um ein Räucherstäbchen zum Schwelen zu bringen, hob den Deckel des Brenners ab und legte das Räucherstäbchen vorsichtig hinein. Mir fiel auf, daß es sich um violetten tsan-xi-jang, den allerfeinsten Weihrauch, handelte, der aus aromatischen Kräutern, Moschus und Goldstaub bestand und der den Raum nicht in einen schweren, benommen machenden, würzigen Rauch einhüllte, sondern den Duft von sommerlichen Gefilden darin verbreitete. Die Dienerin sank nieder und saß demütig schweigend und die Augen diskret gesenkt neben meinem Bett, während der beruhigende Wohlgeruch sich im Raum ausbreitete. Vollends beruhigt wurde ich davon nicht; ich war genauso nervös, als wäre ich wirklich ein Bräutigam. Infolgedessen bemühte ich mich, mit der Dienerin zu plaudern, doch entweder war sie zu absoluter Unerschütterlichkeit erzogen oder hatte keine

Weitere Kostenlose Bücher