Marco Polo der Besessene 2
der Minister Pao in aller Heimlich-und Vertraulichkeit mit dem Jing-siang Achmad über ihre gemeinsamen heimlichen und sträflichen Ränke mit dem Ilkhan Kaidu diskutiert. So das Bild in groben Umrissen. Die Einzelheiten der Komposition überlaßt getrost einem Meisterkünstler.«
»Mit Vergnügen«, erklärte ich. »Ihr malt weiß Gott glaubwürdige Bilder.«
»Und wie, meint Ihr, gelangt Ihr in den Besitz dieses höchst leichtfertigen Dokuments?«
»Ich war einer der letzten, die den Minister Pao lebendig gesehen haben. Ich werde das Papier entdeckt haben, als ich ihn durchsuchte. So wie ich in Wahrheit zu dem yin gekommen
bin.«
»Das yin habt Ihr nie gefunden. Vergeßt das ein für allemal.«
»Sehr wohl.«
»Ihr habt bei ihm nur ein altes und ziemlich zerknittertes Papier gefunden. Ich werde dafür sorgen, daß es ein Brief ist, den Pao hier in Khanbalik an Achmad schrieb, jedoch nicht mehr übermitteln konnte, weil er gezwungen war zu fliehen. So trug er ihn einfach und sträflicherweise bei sich. Ja. Ich werde es zerknittern und dafür sorgen, daß es ein wenig beschmutzt ist. Wie bald braucht Ihr dies?«
»Eigentlich hätte ich es dem Khan gleich bei meiner Ankunft in Xan-du übergeben müssen.«
»Macht nichts. Ihr konntet ja nicht ahnen, wie bedeutend es war. Und seid erst jetzt wieder beim Auspacken Eures Reisegepäcks darauf gestoßen. Übergebt es Kubilai und sagt einfach harmlos: ›Ach, übrigens, Sire…‹ Allein die Beiläufigkeit, mit der Ihr das sagt, wird dem ganzen Wahrscheinlichkeit verleihen. Doch je früher, desto besser. Gestattet, daß ich mich sofort ans Werk mache.«
Er nahm wieder an seinem Arbeitstisch Platz und machte sich geschäftig daran, Papier und Pinsel und rote und schwarze Tintensteine sowie andere Werkzeuge seiner Kunst zurechtzulegen und inzwischen zu sagen:
»Ihr habt Euch mit dieser Verschwörung an den richtigen Mann gewandt, Polo. Dabei wette ich sehr hoch, daß Ihr Euch nicht im mindestens darüber im klaren seid, warum. Für Euch sehen zweifellos alle zwei Seiten voll mit Han-Schriftzeichen eine wie die andere aus; deshalb wißt Ihr auch nicht, daß nicht jeder Schreiber die Schrift eines anderen täuschend ähnlich nachmachen kann. Ich muß jetzt versuchen, Paos Handschrift nachzumachen und mich so lange darin zu üben, bis ich sie fließend schreiben kann. Doch dazu sollte ich nicht allzu viel Zeit brauchen. Geht jetzt und laßt mich arbeiten. Ich werde Euch das Papier zustellen, sobald ich kann.«
Als ich auf die Tür zuging, meinte er noch mit einer Stimme, in der Frohsinn und Reue einander durchdrangen: »Wißt Ihr noch was? Es könnte sein, daß dies der krönende Abschluß meiner gesamten Laufbahn wird, das große Meisterwerk eines ganzen Lebens.« Und als ich hinausging, sagte er -aber immer noch fröhlich genug: »Warum seid Ihr nicht auf etwas verfallen, das ich wirklich mit Chao Meng-fu unterzeichnen könnte? Seid verflucht, Marco Polo.«
4
»Wenn alles gutgeht«, sagte ich zu Ali, »wird der Araber dem Liebkoser vorgeworfen. Und wenn du möchtest, kann ich mich dafür einsetzen, daß du dabeisein und helfen darfst, wenn der Liebkoser Achmad dem Tod der Tausend unterwirft.«
»Es würde mir ein inniges Vergnügen bereiten zu helfen, ihn zu Tode zu bringen«, murmelte Ali. »Aber dem verhaßten Liebkoser helfen? Du hast gesagt, daß er es war, der Mar-Janah tatsächlich umgebracht hat.«
»Das stimmt, und Gott weiß, es gibt nichts Hassenswerteres als ihn. Nur ist er in diesem Falle auf Ersuchen des Arabers tätig geworden.«
Ich war in meine Wohnung zurückgekehrt, wo die Dienerinnen, wie ich gehofft hatte, Ali Babar genug berauschende Getränke eingeflößt hatten, daß er ein wenig benommen war. Infolgedessen hatte er zwar häufig vor Entsetzen geschluckt, vor Kummer klagend aufgeschrien und vor Schmerz aufgestöhnt, als ich ihm die Umstände auseinandersetzte, die mit Mar-Janahs Ableben verbunden gewesen waren, aber er hatte sich nicht zu lautem Geschrei und Um-sich-Schlagen hinreißen lassen, mit denen die meisten Muslime glauben, ihrer Trauer angemessen Ausdruck verleihen zu müssen. Selbstverständlich hatte ich mich nicht weiter darüber ausgelassen, was für Überresten ich in Mar-Janahs letzten Lebensaugenblicken gegenübergestanden hatte.
»Ja«, sagte Ali nach einem langen, gedankenschweren Schweigen. »Wenn du es einrichten könntest, Marco, ich glaube, ich wäre bei der Hinrichtung des Arabers gern dabei. Ohne Mar-Janah habe
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