Marco Polo der Besessene 2
immer noch träge, doch sein plötzlich stechender Blick verriet mir, daß er wußte, auf welche Bilder ich anspielte, und daß diese auch für die famiglia Polo im höchsten Maße peinlich sein könnten. »Ich nehme an, Ihr würdet gern dafür sorgen, daß der Jing-siang Achmad nicht plötzlich Amok läuft.«
»Jawohl. Und ich glaube, ich weiß auch, wie ich das anstelle. Mir ist gerade aufgegangen, daß ich, wenn er die Unterschrift von jemand anders benutzen konnte, um heimliche Machenschaften zu decken, das auch tun könnte. Zufällig bin ich im Besitz des ying eines anderen Höflings.«
Ich reichte ihm den Stein und brauchte ihm nicht erst zu erklären, wessen es wäre, denn er war sehr wohl imstande, den Namen selbst zu lesen: »Pao Nei-ho. Der ehemalige Minister der Kleineren Volksgruppen, der Yi, der sich als Han ausgab.« Er blickte auf und grinste mich an. »Wollt Ihr damit vorschlagen, was ich meine, daß Ihr meint?«
»Der Minister Pao ist tot. Kein Mensch weiß wirklich, warum er sich in diesen Hof eingeschlichen hat oder ob er sein Amt
wirklich benutzt hat, um dem Khanat zu schaden. Fände man jedoch plötzlich einen Brief oder eine Denkschrift von ihm, die seine Unterschrift trüge und eine ruchlose Absicht verriete sagen wir eine Verschwörung mit dem Ziel, den Khakhan zu verleumden und seinen Oberminister zu erhöhen - nun, Pao kann sich nicht mehr davon distanzieren, und Achmad dürfte es sehr schwerfallen, es zu entkräften.«
Entzückt rief Chao aus: »Bei meinen Ahnen, Polo, Ihr beweist ja selbst so etwas wie ministerielle Gaben.«
»Eine Gabe besitze ich jedoch nicht -nämlich die, Han-Schriftzeichen zu pinseln. Ihr jedoch könnt das. Es gibt andere, an die ich mich hätte wenden können, aber ich nahm an, daß Ihr nicht gerade ein Freund des Arabers Achmad seid.«
»Nun, wenn alles zutrifft, was Ihr gesagt habt, hat er mich von einer großen Last befreit. Gleichwohl stöhne ich immer noch unter anderen, die er mir auferlegte. Ihr habt recht: Ich würde mit Freuden helfen, diesen Sohn einer Schildkröte abzusetzen. Eines freilich überseht Ihr. Was Ihr da vorschlagt, ist eine echte Verschwörung. Schlägt sie fehl, müssen wir beide uns auf eine frühe Begegnung mit dem Liebkoser gefaßt machen. Gelingt sie
-und das ist womöglich noch schlimmer -, haben wir uns für immer und ewig gegenseitig in der Hand.«
»Meister Chao, mir geht es nur darum, mich an dem Araber zu rächen. Kann ich ihm auch nur im geringsten weh tun, ist es mir gleichgültig, ob es mich meinen Kopf kostet -morgen oder in ein paar Jahren. Schon indem ich Euch diesen Vorschlag unterbreite, habe ich mich in Eure Hand begeben. Ich kann Euch keine andere Sicherheit bieten als meine bona fides.«
»Die genügen«, erklärte er mit Entschiedenheit und erhob sich von seinem Arbeitstisch. »Das Ganze ist ohne hin ein so ungeheuerlicher Spaß, daß ich einfach nicht nein sagen kann. Kommt her.«
Er führte mich in den nächsten Raum und riß die Schutzdecken von dem gewaltigen Kartentisch. »Laßt sehen. Minister Pao war also ein Yi aus Yun-nan, das damals belagert wurde…und der Minister Achmad hoffte, Khan Kubilai zu stürzen…Wir müssen etwas finden, das diese beiden Ziele miteinander verbindet… irgendeinen dritten Bestandteil. Ich hab's! Kaidu!«
»Aber der Ilkhan Kaidu herrscht weit in der Ferne im Nordwesten«, sagte ich zweifelnd und zeigte auf die Provinz Sin-kiang. »Ist er damit nicht ein wenig arg weit weg, um an dieser Verschwörung teilzuhaben?«
»Kommt, kommt, Polo«, schalt er mich, freilich immer noch allerbester Laune. »Mit dem Zusammenbasteln dieser Lüge ziehe ich mir den Zorn meiner verehrten Ahnen zu, und Ihr setzt das Heil Eurer unsterblichen Seele aufs Spiel. Wäret Ihr bereit, bloß für eine schwächliche und kleinmütige Lüge zur Hölle zu fahren? Besitzt ihr denn keinen Sinn für Künstlerisches, Mann? Geht Euch jedes Gefühl für eine großartige Vision ab? Wenn schon, laßt uns eine Lüge machen, die wie ein Blitz einschlägt und wie ein Donner grollt -und eine Sünde begehen, vor der sich die Götter selbst entsetzen.«
»Es sollte zumindest eine glaubwürdige Lüge sein.«
»Diesem barbarischen Vetter Kaidu traut Kubilai alles zu. Er haßt den Mann. Und er weiß, daß Kaidu keinerlei Bedenken kennt und habgierig genug ist, sich auch noch auf die wildesten
Intrigen einzulassen.«
»Damit habt Ihr allerdings recht.«
»Da seht Ihr es! Ich werde ein Sendschreiben aufsetzen, in dem
Weitere Kostenlose Bücher