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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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hatte immer gedacht, die gäbe es bloß im Mythos. Aber ich muß schon sagen, wenn es sie irgendwo geben müßte, dann bestimmt hier.«
    »Wir sind ein sehr zivilisiertes Volk«, sagte Tofaa, »und so lassen wir die ardhanari frei auf den Straßen herumlaufen, ungehindert ihrem Gewerbe nachgehen und sich elegant kleiden wie alle anderen Frauen auch. Das Gesetz erlegt ihnen nur auf, daß sie außerdem die Kopfbedeckung eines Mannes tragen.«
    »Damit die Ahnungslosen nicht auf sie hereinfallen?«
    »Richtig. Wer als Mann eine gewöhnliche Frau sucht, kann sich ja eine devanasi-Tempelhure mieten. Nur haben die ardhanari, obwohl durch keinen Tempel geheiligt, weit mehr zu tun als die devanasi, denn sie können ja nicht nur Männern, sondern auch Frauen zu Diensten sein. Man hat mir gesagt, sie könnten sogar beides gleichzeitig.«
    »Und der andere Mann, dort drüben?« fragte ich und zeigte mit dem Finger auf ihn. »Verkauft der sich auch zwischen den Beinen?«
    Wenn er das tat, hätte er es nach Gewicht tun können. Denn er trug sein Gemächt in einem gewaltigen Korb vor sich her, den er mit beiden Händen halten mußte. Wenngleich seine Geschlechtsteile noch mit dem Körper verbunden waren, konnte die dhoti-Windel sie nicht völlig bedecken. Der Korb war völlig ausgefüllt von seinem Hodensack, der ledrig und verschrumpelt und aderndurchzogen war wie ein Elefantenfell; die Hoden, die er barg, müssen doppelt so groß gewesen sein wie sein Kopf. Allein dieser Anblick bewirkte, daß ein schmerzliches Ziehen durch die meinen hindurchging -aus Mitgefühl und Ekel zugleich.
    »Schaut unterhalb seines dhoti!« sagte Tofaa, »und Ihr werdet sehen, daß er Beine hat, so dick wie ein Elefant, und dicke
    Elefantenhaut. Doch er braucht Euch nicht leid zu tun, Marcowallah. Es ist nur ein paraiyar, der von der Schande von Santome befallen ist. Santome ist unser Name für den christlichen Heiligen, den Ihr Thomas nennt.«
    Diese Erklärung war womöglich noch überwältigender als der Anblick des bedauernswerten Menschenelefanten. Ungläubig fragte ich: »Was will denn dies im Dunkel der Unwissenheit verharrende Land vom heiligen Thomas wissen?«
    »Er liegt hier irgendwo in der Nähe begraben, zumindest wird das behauptet. Er war der erste christliche Missionar, der nach Indien kam, und hier nicht gerade freudig begrüßt wurde, weil er versuchte, den bösen, ausgeschlossenen paraiyar zu helfen, was die guten Leute, die einer jati angehörten, selbstverständlich empört und erbost hat. Deshalb bezahlten sie Santomes eigene paraiyar-Gemeinde, ihn totzuschlagen und…«
    »Angehörige seiner eigenen Gemeinde? Und das haben sie getan?«
    »Für ein paar Kupfermünzen tun die paraiyar alles. Schließlich ist Schmutzarbeit das, wozu sie da sind. Nur muß Santome, obwohl Heide, ein überaus heiliger Mann gewesen sein. Die Männer schlugen ihn zwar tot, doch werden ihre paraiyar-Nachkommen bis auf den heutigen Tag mit der Schande des Santome geschlagen.« Wir gingen weiter in die Stadtmitte hinein, wo der Palast des Raja stand. Um dorthin zu gelangen, mußten wir einen weitläufigen Marktplatz überqueren, auf dem es von Menschen wimmelte, an diesem besonderen Tag jedoch keine Waren feilgeboten wurden. Es wurde irgendein Fest gefeiert, und so gingen Tofaa und ich gemächlich durch die Menge, denn ich wollte gern sehen, wie die Hindus einen Freudentag begingen. Dabei schienen sie es mehr pflichtschuldig als freudig zu tun, fand ich, denn es gelang mir nicht, irgendwo ein glückliches oder zumindest freudig bewegtes Gesicht zu entdecken. Ja, die Gesichter hatten nicht nur einen größeren roten Punkt auf der Stirn, sondern waren mit etwas beschmiert, das aussah wie Schlamm, aber weit schlimmer roch.
    »Dung von den heiligen Kühen«, sagte Tofaa. »Erst waschen sie sich das Gesicht im Kuhurin, dann tragen sie den Dung auf Augen, Wangen und Brüste auf.«
    Ich enthielt mich irgendeines Kommentars und fragte nur: »Warum?«
    »Dieses Fest wird zu Ehren Krishnas gefeiert, des Gottes der vielen Liebhaberinnen und Liebhaber. Als Jüngling war Krishna nichts weiter als ein Kuhhirt, und so verführte er die ersten Milchmädchen und die Frauen seiner Mithirten im Kuhstall. So wird hier nicht nur fröhlich die hochgemute Liebeskunst gefeiert, sondern auch feierlich der heiligen Kühe Krishnas
    gedacht. Die Musik, welche die Spielleute spielen, hört Ihr sie?«
    »Ich höre. Ich wußte nur nicht, daß es Musik war.«
    Die Musikanten waren um ein

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