Marco Polo der Besessene 2
Regenwetter. »Gewiß, man bemüht sich, das Volk glücklich und zufrieden zu halten. Habt Ihr das ausgelassene Krishna-Treiben genossen, Polo-wallah?«
Ich zerbrach mir den Kopf nach irgend etwas Genußvollem daran. »Was mir gut, sehr gut gefallen hat… ja, sehr gut gefallen hat, war die Musik, Hoheit. Ein Instrument zumal hat es mir angetan… eine Art Laute mit überlangem Griffbrett…«
»Findet Ihr?« unterbrach er mich, völlig unverhofft offenbar ganz erfreut.
»Seine Hoheit freuen sich königlich.«
»Das ist ein völlig neues Instrument«, fuhr er aufgeregt fort. »Es heißt sitar und wurde von meinem eigenen Hofmusikmeister erfunden.«
Offenbar hatte ich durch bloßen Zufall das Eis zum Schmelzen gebracht, das sich zwischen uns auszubreiten drohte. Tofaa warf mir einen bewundernden Blick zu, als der kleine Raja begeistert losplapperte: »Ihr müßt den Erfinder des Instruments kennenlernen, Polo-wallah. Darf ich euch Marco-wallah nennen; ja, laßt uns zusammen speisen, und ich werde den Musikmeister dazubitten. Es ist mir eine ausgesprochene Freude, einen so kenntnisreichen und geschmackssicheren Gast begrüßen zu dürfen. Rufer, ordnet an, daß der Speisesaal hergerichtet wird.«
Die sechs Männer trotteten den Korridor hinunter, blökten immer noch unisono den Befehl hinaus, ja, bewegten sich sogar im Gleichschritt. Diskret gab ich Tofaa einen Wink, sie begriff und fragte den kleinen Raja: »Hoheit, dürften wir uns zuvor vom Reisestaub befreien, ehe wir der Ehre nachkommen, Euch im Speisesaal Gesellschaft zu leisten?«
»Aber ja doch, gewiß. Verzeiht mir, bezaubernde Dame, doch Euer Zauber ist geeignet, jeden Mann abzulenken, derlei Dinge überhaupt wahrzunehmen. Ah, Marco-wallah, da beweist sich wieder Euer guter Geschmack. Auch beweist Ihr, daß Ihr unser Land und unser Volk bewundert, wo ihr Euch doch eine Gattin aus unserer Mitte ausgesucht habt.« Ich schluckte, doch er fuhr augenzwinkernd fort: »Aber habt Ihr denn ausgerechnet die Allerschönste uns Einheimischen fortnehmen müssen?« Ich bemühte mich, das schreckliche Mißverständnis sofort auszuräumen, doch er ging dorthin, wo der Verwalter immer noch mit dem Gesicht zu Boden auf dem Bauch lag, versetzte dem Mann einen Tritt und schnarrte: »Elendiger! Hergelaufener und nie Wiederzugebärender! Warum hast du diese erlauchten Gäste nicht sofort in eine Prunkwohnung gebracht und dafür gesorgt, daß sie alles hatten, was sie brauchen? Hole das sofort nach! Mach die Brautgemächer für sie fertig! Weise ihnen Dienerschaft zu! Und dann kümmere dich um das Festbankett und die Unterhaltung!«
Als ich sah, daß die Brautgemächer zwei getrennte Betten aufwiesen, kam ich zu dem Schluß, daß es sich erübrige, eine andere Wohnung zu verlangen, und als eine Reihe handfester, kräftiger Frauen eine Wanne hereinschleppten und diese mit Wasser füllten, fand ich es nicht unbequem, daß Tofaa und ich denselben Baderaum benutzten. Ich machte mir das männliche Vorrecht, als erster zu baden, zunutze und blieb dann einfach, um Tofaas Waschungen zu überwachen und den Dienerinnen entsprechende Anweisungen zu geben - was einige Ungläubigkeit bei ihnen hinsichtlich meiner Hartnäckigkeit in diesen Dingen hervorrief -, so daß Tofaa endlich einmal gründlich gewaschen war. Als wir die besten Kleider anzogen, die wir mithatten, und dann hinuntergingen, waren sogar ihre bloßen Füße sauber.
Vor dem unverbindlichen Geplauder ließ ich es mir dann angelegen sein, dem kleinen Raja nebst allen Anwesenden klarzumachen: »Die Dame To faa Devata ist nicht meine Gattin, Hoheit.« Das klang brüsk ; und nicht schmeichelhaft für die Dame; damit er jedoch bei seiner Hochachtung ihr gegenüber bliebe, fügte ich noch hinzu: »Sie ist eine der edlen Witwen des verstorbenen Königs von Ava.«
»Witwe, eh?« grunzte der kleine Raja, als habe er auf einen Schlag alles Interesse an ihr verloren.
Ich fuhr fort: »Die Dame Göttergeschenk war so liebenswürdig, mich auf meiner Reise in Euer schönes Land zu begleiten und mir Witz und Weisheit all der vielen trefflichen Menschen zu dolmetschen, denen ich unterwegs begegnet bin.«
Wieder grunzte er. »Gefährtin, eh? Nun, jeder, wie es bei ihm Brauch und Sitte ist. Ein vernünftiger Hindu, der auch noch Geschmack besitzt, nimmt, wenn er sich auf Reisen begibt, keine Frau mit, sondern einen Hindujungen, da er kein so giftiges Wesen besitzt wie eine kaja-Schlange und sein Loch nicht so groß ist wie das einer
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