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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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einfältig sind, könnte ich sie auch dem Heiligen Orden Verkrüppelter Bettler schenken. Vielleicht sind sie aber auch zum Betteln zu blöde. Gleichviel, ich bin selbstverständlich darauf erpicht und strenge mich auch jeden Abend enorm an, noch einen Sohn zu bekommen und das Eigentum der Familie in direkter männlicher Erbfolge zu belassen.« Munter setzte sie uns die Holzbrettchen vor, auf denen sich das mit kàri-Sauce bekleckerte Essen befand. »Wenn Ihr nichts dagegen habt, werden wir rasch essen, damit er und ich unsere palang besteigen können.«
    Und abermals hörten wir in dieser Nacht die feuchtschmatzenden surata-Geräusche im selben Raum, in dem wir schliefen, diesmal begleitet von eindringlichem Geflüster, das Tofaa mir am nächsten Morgen wiederholte: »Mehr Mühe, Sohn! Du mußt dir mehr Mühe geben!« Ich überlegte und fragte mich, ob die habgierige Frau wohl vorhabe, dermaleinst ihren Enkelsohn zu ehelichen, doch im Grund war es mir egal, und so fragte ich auch nicht danach. Auch bemühte ich mich nicht, Tofaa klarzumachen, daß alles, was sie mir während unserer gemeinsamen Reise - in bezug auf die Rolle der Sünde in der Religion der Hindus, ihre strenge Verurteilung und die schrecklichen darauf stehenden Strafen -erzählt hatte, sich kaum positiv auf die Hindumoral im allgemeinen auswirke.
    Unser Reiseziel, die Hauptstadt namens Kumbakonam, war von dem Ort, wo wir gelandet waren, nicht allzu weit entfernt. Leider besaß nur kein Hindubauer irgendwelche Reittiere, die er uns hätte verkaufen können, und es waren auch nicht viele Männer bereit, uns gegen entsprechendes Entgelt zum nächsten Dorf oder in die nächste Stadt auf dem Weg dorthin zu bringen oder wahrscheinlicher: ihre Frauen erlaubten ihnen das nicht und so mußten Tofaa und ich uns der Hauptstadt auf verzweifelt kurzen Etappen nähern, wann immer wir einen Kärrner oder Wagenlenker fanden, der uns ein Stück mitnahm. So wurden wir auf holpernden Ochsenkarren durchgerüttelt und machten die Beine auf Packeseln breit, konnten ein-oder zweimal sogar auf richtigen Pferden reiten und mußten viele Male einfach zu Fuß weitergehen, was für gewöhnlich bedeutete, daß wir neben den Hecken am Wegesrand übernachten mußten. Das empfand ich nun nicht als unerträgliche Zumutung, nur daß Tofaa in jeder einzelnen dieser Nächte kichernd so tat, als legten wir uns nur deshalb mitten in der Wildnis zum Schlafen, weil ich ihr Gewalt antun wolle; da ich dies jedoch unterließ, brummte sie die ganze Nacht darüber, wie unritterlich ich die edelgeborene Dame Göttergeschenk behandelte.
    Das letzte Dorf auf dem Weg in die Hauptstadt, durch das wir kamen, hatte einen Namen, der länger war als die nebeneinandergestellten Bewohner -Jayamkondacholapuram -und war nur insofern bemerkenswert, als die Bevölkerung während unseres Aufenthaltes dort noch weiter vermindert wurde. Wieder hockten Tofaa und ich in einer Kuhmisthütte und nahmen irgend etwas zu uns, das unter der kàri-Sauce nicht zu erkennen war, da erhob sich ein grollender Laut wie ein ferner Donner. Unser Gastgeber und unsere Gastgeberin sprangen sofort auf und kreischten gemeinsam: »Aswamheda!«, stürzten zum Haus hinaus und rannten dabei etliche ihrer am Boden herumkriechenden Kinder um.
    »Was ist aswamheda?« fragte ich Tofaa.
    »Keine Ahnung. Eigentlich bedeutet es nichts weiter als einen, der davonläuft.«
    »Vielleicht sollten wir es unseren Gastgebern nachmachen und auch davonlaufen.«
    So kam es, daß sie und ich über die Kinder hinwegstiegen und auf die einzige Dorfstraße hinausliefen. Das Grollen ertönte jetzt in größerer Nähe, und ich konnte erkennen, daß es sich um eine Tierherde handelte, die im Galopp von irgendwoher im Süden immer näherstürmte. Alle Jayamkondacnolapuramiten liefen von Panik ergriffen einfach davon und trampelten rücksichtslos über diejenigen hinweg, die ganz jung oder ganz alt waren und zu Boden gingen. Etliche von den gelenkigeren Dörflern kletterten auf Bäume oder auf die strohgedeckten Häuser.
    Ich sah, wie die Herde in das Südende der Straße hereingaloppierte, und erkannte, daß es sich um Pferde handelte. Nun kannte ich ja Pferde und wußte, daß sie - selbst unter Tieren
    - nicht gerade die intelligentesten Geschöpfe sind; immerhin wußte ich aber auch, daß sie vernünftiger waren als Hindus. Selbst wenn eine Herde mit wilden Augen und mit Schaum an den Flanken dahinstürmt, nie wird sie auf einen Menschen treten, der auf ihrem

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