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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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hatte, gekleidet in Gewänder, die gemacht waren, ganz Persien zu blenden. Aber die junge Dame war alles andere als hochmütig und gebieterisch, wie man es von einer Edelfrau hätte erwarten können, die auf dem Weg war, eine Ilkhatun zu werden, und an der Spitze eines Gefolges von nahezu sechshundert Menschen stand, wenn man alle ihre Diener und Dienerinnen, Hofedelleute und Krieger der Eskorte mitzählte. Wie es einem Mädchen, das plötzlich von einem Stamm der Ebenen hierher erhoben worden war -wo ihr ganzer Hof wahrscheinlich aus einer Pferdeherde bestanden hatte -, wohl anstand, war Kukachin offen und geradezu, von natürlichem Wesen und sehr angenehmen Umgangsformen.
    »Ältere Brüder Polo«, sagte sie zu uns, »das Vertrauen und die Zuversicht, mit dem ich mich in die Obhut von so berühmten Reisenden begebe, könnten größer nicht sein.«
    Sie, die führenden Edelleute ihres Gefolges, die drei Abgesandten aus Persien und wir drei Polo sowie ein Großteil des Khanbaliker Hofes nahmen zusammen mit Kubilai zu einem Abschiedsgastmahl Platz -und zwar in demselben Saal, in dem vor langer, langer Zeit zu Ehren unserer Ankunft ein Bankett gegeben worden war. Es war ein üppiges Gelage, und selbst Onkel Mafìo schien es zu genießen -gefüttert wurde er von seiner ständigen und getreuen Pflegerin, die bis Persien nicht von seiner Seite weichen wollte - und der Abend war erfüllt von überaus vielfältigen hinreißenden Darbietungen (wobei Onkel Mafìo sich an einer Stelle hinstellte und dem Khakhan ein oder zwei Verse seines recht abgedroschenen ›Tugend‹-Liedes vortrug), und alle wurden stockbetrunken von den Getränken, die der golden und silberne Schlangenbaum immer noch auf Anruf ausschenkte. Ehe wir vollends das Bewußtsein verloren, sagten Kubilai, mein Vater und ich einander noch einmal ausdrücklich Lebewohl - ein Prozeß, der sich sehr in die Länge zog und voll war von Gefühlen und Umarmungen, Trinksprüchen und Ansprachen wie eine venezianische Hochzeit.
    Doch Kubilai brachte es auch fertig, noch einmal kurz unter vier Augen mit mir zu sprechen. »Wenngleich ich Eure Onkel länger kenne als Euch, Marco -Euch habe ich am besten kennengelernt, und den Abschied von Euch bedaure ich am meisten. Hui, ich weiß noch, die ersten Worte, die Ihr an mich richtetet, waren kränkend.« Er lachte in der Erinnerung. »Das war nicht klug von Euch, aber es war mutig, und es war recht von Euch, so zu sprechen. Seither habe ich immer große Stücke auf das gegeben, was Ihr sagtet, und ich werde jetzt ärmer sein, da ich Euren Rat nicht mehr hören kann. Dennoch hoffe ich, Euer Weg führt Euch wieder hierher. Ich werde dann nicht hier sein, Euch zu begrüßen. Trotzdem würdet Ihr mir einen Dienst erweisen, wenn Ihr Euch mit meinem Enkel Temur anfreunden und ihm mit derselben Hingabe und Treue dienen könntet, die Ihr mir entgegengebracht habt.« Damit legte er mir eine schwere Hand auf die Schulter.
    Ich erklärte: »Sire, stets wird es mein ganzer Stolz sein und mein einziger Beweis dafür, ein nützliches Leben gelebt zu haben, daß ich einst für eine Zeitlang dem Khan Aller Khane habe dienen dürfen.«
    »Wer weiß?« sagte er herzlich. »Vielleicht erinnert man sich an Khan Kubilai nur deshalb, weil er als guten Ratgeber einen Mann namens Marco Polo hatte.« Er rüttelte freundschaftlich an meiner Schulter. »Vakh! Genug der Gefühle. Laßt uns trinken und uns betrinken! Und dann« -und mit diesen Worten hob er einen edelsteingeschmückten Becher voll schäumenden arkhis »Euch ein gutes Pferd und eine weite Ebene, guter Freund.«
    »Guter Freund«, wagte ich echogleich zu sagen, indem ich meinen Kelch hob, »ein gutes Pferd und eine weite Ebene für Euch.«
    Am nächsten Morgen ritten wir dann mit schweren Köpfen und keineswegs leichtem Herzen davon. Schon diese vielköpfige karwan aus Khanbalik herauszuführen, stellte ein taktisches Problem dar, das fast mit dem zu vergleichen war, das der Orlok Bayan hatte lösen müssen, als er seine Krieger aus dem Ba-Tang-Tal herausgeführt hatte; dabei handelte es sich in unserem Falle um eine Menge von Zivilisten und nicht um Truppen, die in militärischer Disziplin geübt waren. Deshalb kamen wir am ersten Tag nicht weiter als bis zum nächsten Dorf, wo man uns mit Hochrufen und Blumen und Weihrauch und dem Knattern der Feuerbäume empfing. In den nächsten Tagen kamen wir auch nicht viel schneller voran, weil jedes letzte Dorf oder jede letzte Stadt ihre Begeisterung

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