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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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die Flotte dem viel weiteren Westbogen der Küstenlinie. Auch konnten die Schiffe, mochten sie sonst auch mit Proviant für zwei volle Jahre ausgerüstet sein, nicht mehr Trinkwasser mitführen, als für einen Monat reichte. Um diese Vorräte aufzufüllen, mußten wir zwischendurch immer wieder einen Hafen anlaufen, und das waren längere Aufenthalte als das eigentliche Schutzsuchen in irgendwelchen Buchten. Allein das Beidrehen und Ankern einer aus so mächtigen Fahrzeugen bestehenden Flotte erforderte fast einen ganzen Tag. Das Hin-und Herrudern der Fässer mit den kleinen Booten dauerte weitere drei oder vier Tage und das Ankerlichten und Segelsetzen für die Weiterfahrt noch einen Tag. So kostete uns jede Wasserübernahme ungefähr eine Woche. Nachdem wir Quan-zho verlassen hatten, so erinnere ich mich, nahmen wir auf einer großen Insel vor der Küste von Manzi namens Hai-nan Wasser über, das zweitemal an der Küste von Annam in Champa in einem Hafe n, der Gai-dinhthanh hieß, und ein drittes Mal auf einer Kaliman-tan genannten Insel, die so groß war wie ein ganzer Erdteil. Alles in allem brauchten wir zunächst einmal drei Monate, lediglich um vor der Küste Asiens nach Süden zu laufen, ehe wir endlich Westkurs aufnehmen und nach Persien segeln konnten.
    »Ich habe Euch beobachtet, Älterer Bruder Marco«, sagte die Dame Kukachin, als sie eines Abends zu mir aufs Dach kam, »wie Ihr ab und zu an einem kleinen Holzgerät hantiert. Ist das ein Navigationsinstrument der Ferenghi?«
    Ich ging hin, holte es und erklärte ihr, wie es funktioniert.
    »Möglich, daß es meinem verlobten Gatten unbekannt ist«, sagte sie. »Und ich könnte in seiner Gunst steigen, wenn ich ihn damit bekannt machte. Würdet Ihr mir beibringen, wie man es benutzt?«
    »Mit Vergügen, meine Dame. Ihr haltet es auf Armlänge vor Euch hin, so, in Richtung auf den Nordstern…« Ich hielt inne, erschrocken.
    »Was ist denn?«
    »Der Nordstern ist verschwunden!«
    Es stimmte. Dieser Stern war in letzter Zeit jeden Abend ein winziges Stück näher an den Horizont herangerückt, und jetzt stellte ich entgeistert fest, daß er vollends verschwunden war. Dieser Stern, den ich fast in jeder Nacht meines Lebens hatte sehen können, jenes unverrückbare Feuer am Himmel, das seit Menschengedenken allen Reisenden zu Lande und auf See als Leitgestirn gedient hatte, war vollständig vom Himmel verschwunden. Das hatte etwas Erschreckendes - zuzusehen, wie ein beständiger und unverrückbarer Fixpunkt im Universum verschwindet. Nun hätten wir ja wirklich über irgendeinen fernsten Rand der Welt hinwegfahren und in irgendeinen unbekannten Abgrund stürzen können.
    Ich gestehe freimütig ein, daß dieser Gedanke mich mit großem Unbehagen erfüllte. Doch damit Kukachin nicht das Vertrauen zu mir verlor, bemühte ich mich, meine Angst nicht hochkommen zu lassen, und ließ den Kapitän des Schiffes bitten, zu uns zu kommen. Mit möglichst fester Stimme erkundigte ich mich bei ihm, was denn aus dem Stern geworden sei und wie er jetzt Kurs halte oder seine Position ohne diesen Bezugspunkt feststellen könne.
    »Wir befinden uns unterhalb der Taillenwulst der Erde«, sagte er, »wo der Stern einfach nicht zu sehen ist. Da müssen wir uns auf andere Bezugspunkte stützen.«
    Er schickte einen Kabinenburschen auf die Brücke, eine Karte zu holen, die er dann für mich und Kukachin entrollte. Es handelte sich aber nicht um ein Abbild der Küsten und Landmarken, sondern des Nachthimmels: nichts als Farbtupfer verschiedener Größe, welche Sterne von unterschiedlicher Leuchtkraft wiedergeben sollten. Der Kapitän zeigte hinauf und zeigte uns die vier hellsten Sterne am Himmel -die so standen, als markierten sie die Arme eines christlichen Kreuzes -und zeigte uns dann die vier Farbtupfer auf dem Papier. Ich erkannte, daß diese Karte diesen mir fremden Himmel genau wiedergab, und der Kapitän versicherte uns, das genüge ihm, um danach steuern zu können.
    »Diese Karte scheint mir genauso nützlich wie Euer kamal, Älterer Bruder«, sagte Kukachin zu mir, um sich dann an den Kapitän zu wenden: »Könntet Ihr eine Kopie für mich anfertigen lassen -für meinen königlichen verlobten Gatten, meine ich, falls er jemals vorhat, südlich von Persien einen Feldzug zu unternehmen?«
    Der Kapitän war so freundlich, sofort einen Schreiber an diese Aufgabe zu setzen, und ich äußerte mich nicht mehr besorgt über das Fehlen des Nordsterns. Trotzdem war mir in diesen

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