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Marco Polo der Besessene 2

Marco Polo der Besessene 2

Titel: Marco Polo der Besessene 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Jennings
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sonst wenig ansprechenden Thronsaal. Besucher können das Auge auf diesen hübschen jungen Männern ruhen lassen, statt auf dem betagten Koloß auf dem Thron.«
    Ich sah mir die Pagen an. Ein oder zwei von ihnen, die in Hörweite standen und diese erstaunliche Enthüllung wahrscheinlich mitbekommen hatten -erstaunlich jedenfalls für mich -, reagierten mit scheuem und achtungsvollem Lächeln auf meinen Blick. Jetzt wußte ich, woher sie ihre Hautfarbe hatten, die heller war als die der Mongolen; ich glaubte sogar, eine gewisse Ähnlichkeit mit mir festzustellen. Gleichwohl, sie waren Fremde für mich. Sie waren nicht in Liebe empfangen worden, und ihre Mütter würde ich vermutlich nicht einmal erkennen, wenn ich auf den Palastgängen an ihnen vorüberging. Ich biß daher die Zähne zusammen und sagte:
    »Mein einziger Sohn ist bei der Geburt umgekommen. Der Verlust von ihm und von seiner Mutter hat mich an Seele und Herz erkranken lassen. Deshalb erbitte ich von me inem Herrn Khakhan die Erlaubnis, über meinen letzten Auftrag zu berichten und ihn hinterher um einen Gefallen zu bitten.«
    Lange musterte er mich, und die Altersrunzeln und -falten in seinem ledrigen Gesicht schienen sich merklich zu vertiefen, doch sagte er nur: »Erstattet Bericht.«
    Ich faßte mich kurz, denn eigentlich hatte ich ja keine andere Aufgäbe gehabt als die Augen aufzumachen. So gab ich die Eindrücke wieder, die ich gewonnen hatte: daß Indien ein Land war, das nicht lohnte, sich anzueignen oder auch nur zu beachten; daß die Champa-Länder dieselben Rohstoffe lieferten
    -Elefanten, Gewürze, Edelhölzer, Sklaven und Edelsteine -und weniger weit entfernt waren.
    »Außerdem gehört Ava Euch ja bereits. Eines jedoch möchte ich zu bedenken geben, Sire. Wie Ava könnten auch die anderen in Champa lebenden Völker geneigt sein, sich mühelos erobern zu lassen; allerdings, sie fest an Euch zu binden, dürfte schwierig sein. Eure Mongolen sind Männer des Nordens, gewohnt, frei zu atmen. In der tropischen Hitze und der Feuchtigkeit kann keine mongolische Garnison es lange aushalten, ohne Fieber, Krankheiten und der dort herrschenden Trägheit zum Opfer zu fallen. Ich schlage daher vor, statt diese Lande regelrecht zu besetzen, Sire, dort einfach willfährige Eingeborene zu den Verwaltern von Champa und zu den Befehlshabern der Truppen zu machen.«
    Er nickte und griff nochmals nach dem Brief, den er von Bayan erhalten hatte. »König Rama Khamhaeng von Muong Thai macht bereits diesbezügliche Vorschläge -als Alternative dazu, daß wir seine bedingungslose Kapitulation verlangen. Er bietet die gesamte Zinnförderung seines Landes als Dauertribut. Ich glaube, auf diese Bedingungen werde ich eingehen, und Muong Thai bleibt als unabhängiges Reich bestehen.«
    Da mir die Thai regelrecht ans Herz gewachsen waren, freute ich mich besonders, dies zu hören. Sollte ihr Land der Freien frei bleiben!
    Kubilai fuhr fort: »Ich danke Euch für den Bericht, Marco. Ihr habt Eure Sache gut gemacht, wie immer. Ich wäre wirklich ein undankbarer Herr, wollte ich Euch eine Bitte abschlagen, die ich erfüllen könnte. Um was für einen Gefallen geht es denn?«
    Er wußte, worum ich bitten wollte, Dennoch bemühte ich mich, die Bitte nicht schlecht zu formulieren, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen und zu sagen: »Gestattet, daß ich fortgehe!« Und weil das so war, begann ich, auf Han-Art erst einmal drum herum zu reden.
    »Vor langer Zeit, Sire, hatte ich Gelegenheit zu sagen: ›Ich könnte nie eine Frau umbringen.‹ Als ich das sagte, erklärte ein mir gehöriger Sklave, ein Mann, weiser, als ich damals erkannte: ›Ihr seid noch jung.‹ Damals hätte ich es mir nicht vorstellen können, und doch bin ich kürzlich Anlaß gewesen, den Tod jener Frau zu verursachen, die mir auf der Welt mehr bedeutete als alles andere. Und ich bin nicht mehr jung. Ich stehe in mittleren Jahren, bin schon weit fortgeschritten in meinem vierten Jahrzehnt. Dieser Tod hat mir viel Schmerz bereitet, und wie ein verwundeter Elefant möchte ich mich in die Abgeschiedenheit meiner Heimat zurückziehen und dort von meiner Wunde genesen oder an ihr zugrunde gehen. Ich bitte um Eure Erlaubnis -und Euren Segen, wie ich hoffe -, mich von Eurem Hof zurückzuziehen, zusammen mit meinem Vater und meinem Onkel. Wenn ich nicht mehr jung bin, so sind sie bereits alt, und auch sie sollten zu Hause sterben.«
    »Ich bin noch älter als sie«, sagte Kubilai aufseufzend. »Die

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