Marcos Verlangen
kurze Zeitspanne in seiner Gesellschaft hatte ausgereicht, sie lichterloh in Brand zu setzen. Dieser Mann war Sex pur, und er ließ keine Gelegenheit aus, sie zu reizen. Darin war er Meister. Warum nur hatte Wikipedia sie nicht darauf vorbereitet?
Dann begann er, sie auszufragen und Ella breitete bedenkenlos ihre Vergangenheit vor ihm aus. Ihre missglückten Beziehungen, ihre ziemlich gleichgültigen Eltern, die ihre beruflichen Neigungen und Vorlieben weder verstanden noch unterstützt hatten, ihre liebevolle Tante mit dem kleinen Bed&Breakfast auf dem Land, die sehr an ihr hing und umgekehrt. Dass sie den Job in der Pseudo-Galerie ihres dominanten Vaters langsam satt hatte, weil sie sich dort zu Tode langweilte und sich eigentlich dafür schämte, Touristen billige Kunstdrucke und maschinell gefertigte Ölbilder zu überhöhten Preisen andrehen zu müssen.
„War es dir deshalb so peinlich, darüber zu reden?“
Sie nickte. „Ich empfinde es langsam als eine echte Strafe, das tun zu müssen, aber es war immer schon das einzige, was sich mir je geboten hat, wenn ich zumindest ansatzweise etwas mit dem Thema zu tun haben wollte, das mich von jeher am meisten interessiert hat. Seit ich denken kann, habe ich mich für Malerei begeistert.“
„Warum hast du dann nicht Kunstgeschichte studiert? Irgendwas aus deinem Interesse gemacht?“
„Weil meine Eltern für so etwas nie besonders viel Verständnis hatten und ich nach der Schule etwas brauchte, womit ich Geld verdienen konnte, so einfach war das“, beschied sie ihm kurz. „Weder konnten noch wollten sie es sich leisten, mich studieren zu lassen und das mit dem nebenbei Arbeiten – naja, das hätte ich vielleicht versuchen können. Aber es kam dann eben anders.“
„Und daher hast du bei deinem Vater angefangen und bist geblieben?“
„Genau so war es“, bestätigte sie. „Es war einfach selbstverständlich, dass ich in seine Fußstapfen trete, aber in der Zwischenzeit…“ Sie ließ den Satz unvollendet und seufzte ergeben. „Und langsam glaube ich, bin ich auch schon zu alt, um noch großartig was anderes zu versuchen.“
„Zu alt?“ Er traute seinen Ohren kaum. „Mädchen, jetzt rück aber mal raus mit der Sprache – wie alt bist du überhaupt?“
„Zweiunddreißig.“
„Und schon zu alt für Veränderungen?“
Sie zuckte ratlos die Schultern. „Du weißt wohl nicht, dass es in dieser Gegend alles andere als einfach ist, eine Arbeit zu finden, die ein bisschen mit Kunst und Kultur zu tun hat. Ganz besonders, wenn man, so wie ich, weder studiert noch sonst eine Ausbildung abgeschlossen hat. Das einzige, was man da machen kann, ist eben Souvenirs verkaufen und da ist ein Laden wie der andere.“
„Dein Vater hat dich nicht mal eine richtige Ausbildung machen lassen?“ Er schüttelte fassungslos den Kopf.
„Nein. Ich hatte ja nicht viel andere Auswahl, da hat mich das nicht so sehr gestört.“
„Was hast du überhaupt damals in Rom gemacht – du weißt schon, auf diesem berühmten Flug?“ Er zwinkerte ihr vielsagend zu. „Weißt du eigentlich, dass ich dich deshalb Engel nenne? Weil ich dich über den Wolken kennen gelernt habe.“
Sie sah ihn verblüfft an. „Warum du Engel zu mir sagst, habe ich mich tatsächlich schon gefragt“, gestand sie mit einem leichten Zittern in der Stimme. Dann räusperte sie sich. „Mein Vater fliegt jedes Frühjahr nach Rom, um einzukaufen. Er hat da ein paar Straßenkünstler an der Hand, die bei den Touristen gut ankommen, und ein paar Händler, die ihm günstige Drucke verkaufen. Dieses Mal musste er wegen eines Bandscheibenvorfalls zu Hause bleiben und hat stattdessen mich geschickt.“
„Erinnere mich daran, dass ich ihm dafür einen Orden verleihen lasse.“
Marcos Stimme hatte wieder diesen ganz besonderen Klang und er fixierte sie mit seinem glühenden Blick.
„Das kannst du dir aber wirklich sparen, wir hätten uns doch ohnehin etwas später auf dieser Vernissage getroffen – das war ein völlig unabhängiges Ereignis.“
Er lachte. “Ja genau - die Vernissage! Aber vielleicht wärst du ohne diesen Flug gar nicht erst hingegangen. Du hättest, anstatt in Rom zu sein, einen anderen Mann kennenlernen können. Und was dann?“
Sie schloss lachend die Augen und lehnte sich zurück. „Ja, was dann? – Aber die Vernissage war doch wirklich toll, oder nicht? Und in einer richtigen Kunstgalerie mit richtiger Kunst darin. Herrlich.“
Er gab keine Antwort darauf, sondern starrte
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