Marcos Verlangen
undeutlich.
„Zu schön, um wahr zu sein?“
„Ja. Genau das.“
„Unsinn! Es ist schön, dass es wahr ist.“
„Oh mein Gott!“ Nun lachte sie wider Willen. „Du bist ein Wortklauber. Du bist ein Haarspalter, und das soll gut gehen mit uns beiden?“
Er zog sie an sich.
„Das wird gut gehen mit uns, denn dafür werden wir alle beide sorgen. Und wenn du deins dazu tun willst, dann überlege dir mein Angebot und dann soll der letzte Arbeitstag vor deinen Ferien auch wirklich dein letzter gewesen sein. Hör auf damit und komm zu mir. Ich brauche dich, Ella!“
Bei seinen letzten Worten hatte er mit der Hand ihr Kinn umfasst und ihr Gesicht zu sich herumgedreht, so dass sie ihn ansehen musste. Unter seinem intensiven Blick schmolz schließlich ihr letzter, unsinniger Widerstand, und sie schloss ergeben die Augen.
„Also gut, ich denke über dein Angebot nach, aber mehr kann ich dir im Moment nicht versprechen.“
„Mehr will ich im Moment auch nicht von dir. – Können wir jetzt bitte in Ruhe weiter frühstücken? Du bist eine anstrengende Frau und ich muss bei Kräften bleiben, wenn ich dich auch weiterhin zufrieden stellen will.“
Ella blieb noch während des gesamten Frühstücks schweigsam und geistesabwesend. Marcos Worte schwirrten ihr durch den Kopf, doch sie hatte Schwierigkeiten, all dem Glauben zu schenken.
Ja, es stimmte, was sollte er damit bezwecken, ihr falsche Hoffnungen zu machen? Er musste ihr weder die Scheidung noch einen Job versprechen, um sie rumzukriegen. Was er von ihr wollte, hatte er bekommen und sie hatte es ihm denkbar einfach gemacht.
Hatte sie etwa ein falsches Bild von sich selbst? Er hatte – nicht explizit, aber dennoch nicht ganz zu Unrecht – an ihrem Selbstwertgefühl gezweifelt. Sie war immer überzeugt gewesen, genug davon zu besitzen, allerdings sah es so aus, als sei sie da einer Illusion aufgesessen. Wenn sie sich selber nicht für würdig empfand, dass ein Mann wie Marco Mingoni mehr als Sex von ihr wollte, dann war das offensichtlich ihr Problem und nur ihres. Er hatte ihr schließlich klarzumachen versucht, dass er das keineswegs so sah.
Während Ella mit nur mäßigem Appetit an ihrem eigentlich köstlichen Frühstückshörnchen herumknabberte, musterte sie ihn so unauffällig wie möglich. Er war attraktiv, keine Frage. Kein Schönling, dafür waren seine Wangenknochen zu markant, der Mund zu hart und die Augen unter den dunklen Brauen einfach zu finster. Aber er hatte eine ungeheuer charismatische Ausstrahlung und wusste, wie er wirkte. Allein die Tatsache, dass er sich selbst kein bisschen in Frage zu stellen schien, machte schon einen Teil seines erotischen Charmes aus. Er bewegte sich lässig und mit katzenhafter Geschmeidigkeit und sein Körper sprach eine Sprache für sich.
Nach ihrer allerersten Begegnung im Flugzeug hatte sie ihn für leicht unbeholfen gehalten. Bei dem Treffen auf der Vernissage und anschließend in der Bar hatte sich der Eindruck in ihr verstärkt, dass er eher ein schüchterner, verschlossener Typ war. Das hatte nicht im Geringsten zu dem gepasst, was sie danach im Internet über ihn herausgefunden hatte. Aber sogar noch in seinem eigenen Büro war er ihr unsicher und verlegen vorgekommen.
Doch das hatte sich rasant geändert.
Wann eigentlich? Seit – sie stutzte. Seit er sie vor dem Boldini geküsst hatte, schoss es ihr durch den Kopf. Seit diesem Moment war er nahezu ein anderer gewesen: selbstsicher, dominant, unwiderstehlich verführerisch und gewinnend lässig. Konnte es ein solcher charismatischer, attraktiver, erotischer, gebildeter Intellektueller wirklich ernst mit ihr meinen? Ihre Superlative für ihn schienen kein Ende zu nehmen, aber dass gerade er sich ernsthaft für sie interessieren sollte – war eher unglaubwürdig.
„Entscheide dich!“, unterbrach er an dieser Stelle ganz überraschend ihre Gedanken und Ella zuckte zusammen. Er sah an ihr vorbei in den Garten, so als erzähle er ihr gerade etwas über die Rosen, die dort in voller Blüte standen.
„Wie bitte?“
„Ich weiß, worüber du nachdenkst. Du musst dich entscheiden. Heute. Wenn du nach diesem Wochenende von hier wegfährst, musst du eine Entscheidung getroffen haben. Das verlange ich von dir.“
„Welche Entscheidung?“ Ihre Stimme war nur ein heiseres Flüstern, so sehr hatte sie seine Forderung verblüfft. Wusste er denn tatsächlich, was in ihrem Kopf vorging?
Das war unmöglich, kein Mensch konnte Gedanken lesen, nicht
Weitere Kostenlose Bücher