Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Titel: Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Wieninger
Vom Netzwerk:
violette Nase gaben dem Antlitz schließlich den letzten Pfiff.
    „J. Nowak?“
    „Steht jedenfalls an der Tür.“
    „Was Sie nicht sagen. Kriminalpolizei.“
    „Mein Gott, nicht so laut.“
    Winzige Schweißperlen brachen aus der hohen Denkerstirn.
    „Darf ich nun hereinkommen, oder soll ich die Tür gefühlvoll eintreten?“
    „Wo haben Sie nur diese sagenhafte Höflichkeit her? Ein Seminar an der Kadettenschule?“
    „Beste Kinderstube. Ich bin Vollwaise.“
    „Ja, dann nur herein mit Ihnen in die gute Stube.“
    Im Vorzimmer Dünste nach Linoleum und Inländer-Rum. Ein grauer Spannteppich, der etwa zu Zeiten der Oktoberrevolution weiß gewesen sein mochte, bedeckte den Boden des Wohnzimmers. Eine neckische Carmen mit einer Rose im Mund und mit Unmassen liebevoll gemalten, braunen Fleisches verschandelte eine Wand. Ein neobarockes Ungetüm von Einbauschrank erschlug den Raum von seiten der anderen. Alle Sitzgelegenheiten waren auf den Fernseher ausgerichtet, der auf einem Beistelltischchen vor dem einzigen Fenster den Hausaltar abgab. Das Fenster ging übrigens auf die Eisnerstraße, und das war gut so, dachte ich.
    In seinem eigenen Wohnzimmer gewann J. Nowak an Statur. Er stellte das Schwitzen ein und baute sich vor mir mit verschränkten Armen auf: „Ich sage Ihnen gleich, daß ich nichts sage. Als Zeuge hat man doch nur Scherereien.“
    J. Nowak hatte recht. Er würde Scherereien bekommen. So oder so.
    „Wer sagt Ihnen denn, daß das hier nur eine kleine, feine Zeugenbefragung wird? Haben Sie einen Wagen?“
    „Hatte. Tun Sie nicht so, als ob Sie nicht wüßten, daß mir der Führerschein entzogen wurde.“
    Es ist für gewöhnlich leichter, dem Finanzamt eine Steuerrückzahlung herauszureißen, als einem Zeugen die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Und dabei wußte ich nicht einmal, ob J. Nowak überhaupt ein Zeuge war. Um das herauszufinden, mußte ich ihn unter Druck setzen. Drecksarbeit. Polizistenarbeit.
    „Wo waren Sie gestern um achtzehn Uhr?“
    „Wow, Sie haben sich von den Fernsehkommissaren aber auch nur das Feinste abgeschaut. Der Spruch ist ein Zitat, nicht?“
    Einen Moment lang wußte ich nicht recht, was zu tun war. Dann trat ich schnell wie ein Mittelklassejapaner auf ihn zu, stellte meinen rechten Fuß auf die Zehen seines linken Fußes und faßte ihn mit beiden Händen am Revers seines Trainingsanzuges. Es war eine peinliche, von Sam Spade abgekupferte Vorstellung.
    „Ich bin gerade aus dem Fernseher gestiegen und könnte Ihnen jetzt zum Beispiel in klassischer Manier ein Schlüsselbein brechen. Ich würde nicht einmal ein Disziplinarverfahren bekommen.“
    Das mit dem Disziplinarverfahren stimmte sogar. Ich war ja bei mir selbst angestellt und würde mich kaum vom Dienst suspendieren.
    „Sie waren gestern abend hier, nicht?“
    J. Nowak begann vor Schreck ein wenig zu stinken und nickte. Ich ließ ihn los.
    „Dann müßten Sie auch ein Geräusch gehört haben, Metall gegen Fleisch, wie ein Stück Schlachtvieh unter einem Vorschlaghammer ...“
    J. Nowak schüttelte sich und bewegte probeweise seinen linken Vorderfuß.
    „Ich hatte den Fernseher an, ziemlich laut, weil ich ein bißchen schwerhörig bin.“
    „Schalten Sie das Gerät ein!“
    Nowak schüttelte noch immer den Eindruck meiner klodeckelgroßen Pratzen von seinem Körper ab und öffnete verständnislos den Mund.
    „Na los! Brauchen Sie eine Extraeinladung?“
    J. Nowak brauchte auch keine Extraeinladung, er rührte sich einfach nicht. Ich drückte den Einschaltknopf.
    Nichts. Die Mattscheibe blieb matt.
    Ich drückte noch einmal. Dann probierte ich sämtliche Schalter und Regler des Gerätes durch.
    „Ihr bestes Stück ist ja kaputt.“
    „Was Sie nicht sagen, Herr Oberhochkommissar!“
    „Seit wann?“
    „Seit ein paar Tagen, wenn es Sie interessiert.“
    „Und welche Version haben Sie meinen Kollegen erzählt?“
    „Keine. Es war nämlich keiner hier. Und wenn Sie das nicht wissen, Sie verdammter Penner, dann sind Sie auch kein Bulle.“
    „1:0 für Sie, J. Nowak. Auf Wiedersehen.“
    Im Stiegenhaus standen Gabloners Vorstehhunde wie Zinnsoldaten herum. Als ich an ihnen vorbei war, steuerten sie betont achtlos auf die Wohnungstür meines Zeugen zu.

VIII
    „Schon komisch: Sie tauchen da plötzlich auf bei unserem Kaddisch, und Minuten später rückt die Polizei ebenfalls an, verprügelt nicht Sie, sondern unseren Kaddisch, zündet nicht Ihre, sondern seine Bude an. Als Intellektueller neige ich

Weitere Kostenlose Bücher