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Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Titel: Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Wieninger
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leider dazu, hier einen gewissen Konnex anzunehmen. Kausalität, Sie verstehen?“
    Ich nieste als Antwort. Sie hatten mich vor dem Kebabstand zu viert oder fünft gepackt und in ein winziges Teppichgeschäft nebenan gezerrt. Dort rollten sie mich zu meiner Verblüffung in einen schweren, kratzigen Perser ein und ließen mich liegen. Ich hörte noch, wie sie das Lokal verließen und von außen die Rolläden herunterzogen. Sorry, we’re closed.
    „Schon komisch: Stunden zuvor wird zu allem Überfluß auch noch Kaddischs Schickse totgefahren. Eine Koinzidenz seltsamer Zufälle, finden Sie nicht?“
    Ich war die Eisnerstraße nach Norden zu ins Türkenviertel mit Vollgas hochgefahren, während Gabloners Buberlpartie, so hatte ich gehofft, noch mit J. Nowak zu tun hatte. Ein Gusto nach Hammelfleisch mit Zwiebeln und Tomaten hatte mich aber dazu verleitet, den Granada in einer Seitenstraße zu verstecken und zum nächsten Kebabstand zu schlendern. Auf dem kurzen Fußweg vorbei an zwei ausgebrannten Geschäften hatte ich nicht gemerkt, daß ich über vermintes Gelände geschritten war.
    „Wir haben Baseballschläger hier. Wir könnten jetzt beginnen, den Teppich, in dem Sie stecken, damit ordentlich durchzuklopfen.“
    Ich wußte nicht, wie lange ich schon in dem vermaledeiten Teppich lag. Es tat aber wohl, nun plötzlich diese gebildete, kultivierte Stimme zu hören, auch wenn sie nichts Gutes versprach: „Wenn Sie keine Kooperation zeigen, müssen wir Ihren verstaubten Teppich wohl ausklopfen. Schon wegen der Reinlichkeit, die man uns Türken gerne abspricht.“
    „Kaddisch hat mich telefonisch als Privatdetektiv engagiert.“
    Voller Angst, daß das dicke Teppichvlies meine Laute verschlucken würde, schrie ich aus Leibeskräften: „Ich habe das Gespräch aufgenommen. Das Band liegt in meinem Büro. Birkengasse 237.“
    „Das klingt nach Kooperation. Aber schreien Sie nicht so.“
    „Mein Wagen, ein weißer Ford Granada mit dem Kennzeichen
    H * 3064 B, steht, weil mich Hammel ein Gusto nach Hammelfleisch überfallen hat, nördlich von hier in der nächsten Seitenstraße nach links. Ich habe niemanden damit totgefahren.“
    „Wir werden das sofort überprüfen.“
    Das Geräusch von Schritten wurde immer schwächer und riß schließlich ab. Kein Rolladen wurde aufgezogen, so daß der mich Vernehmende den Laden wohl durch eine Hintertür verließ.
    Ich hatte Zeit, darüber nachzudenken, daß ich gar kein Tonbandgerät besaß und Kaddischs Anruf daher auch kaum aufgenommen haben konnte.
    Meine Lungen zogen die Luft schon mit Gewalt ein; seit geraumer Zeit wurde die Luft dicker und der Sauerstoff dünner. Es ist fraglich, so sinnierte ich nach Luft schnappend, ob es eine Gnade ist, geboren zu werden. Andererseits: Gewaltsam in einen Perser gewickelt zu werden und darin zu ersticken gab meinem Leben eine gewisse Bedeutung. Wenn auch nur im nachhinein. Immerhin wäre der Tod in diesem Perserteppich, so delirierte ich am Rande einer Panik, ein eindeutiges und überwältigendes Zeichen dafür, daß sich jemand für mich und das, was ich tat, interessierte. Ansonsten pflegten sich meine Zeitgenossen nämlich höchstens für die Malediven zu interessieren oder für Sexshops, Provisionen und Reality-TV.
    Wer würde mir als Totem die Fingernägel schneiden? Wer das aufgedunsene, schwammige Gesicht zurechtdrücken? Bei den Mierts hatte stets der Ehrgeiz vorgeherrscht, im Falle des Falles eine schöne Leiche abzugeben. Auch ich würde mich von dieser Tradition nur höchst ungern entfernen wollen.
    In den taub werdenden Füßen spürte ich immer mehr das überwältigend absurde Bedürfnis, Linkswalzer zu tanzen. Ich, der ich mich schon bei einem simplen Slowfox hoffnungslos verstolpern würde. Aber erbarmungslos tanzten meine inzwischen fühllosen Füße einen imaginären Straußwalzer, eins, zwei, drei, eins, zwei, drei.
    Als ich schon das Gefühl hatte, eine ganze Opernballnacht durchgetanzt zu haben, hörte ich wieder die Schritte.
    „Okay, Sie sind kein Neonazi. Ihr Wagen sieht nicht danach aus, Sie selbst sehen nicht danach aus.“ Die kultivierte Stimme, die ich schon so liebgewonnen hatte.
    Ich nieste erleichtert.
    „Sie müssen verstehen: Wir haben fast jede Nacht Glatzköpfe hier, die Molotow-Cocktails in unsere Wohnungen, in unsere Läden werfen. Wir haben eine Polizei hier, die ihnen dabei amüsiert zuschaut und die Opfer der Attacken dann noch immer amüsiert in den Sarg packt oder nach Anatolien deportiert.

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