Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann
Zwecks Herstellung von Ruhe und Ordnung. Und wir haben Sexshops hier, Straßenhuren, einen Babystrich und Kredithaie, die unseren Leuten das Geld aus der Tasche ziehen, das sie nicht haben.“
Ich wurde von unsichtbaren Händen ausgewickelt, wie der Deckel einer Sardinendose über den Boden aufgerollt.
Auf dem völlig ausgerollten Teppich blieb ich schwitzend liegen und konnte nichts sehen. Als ich mich schwitzend aufsetzte, konnte ich noch immer nichts sehen. Meine Beine waren taub wie Granit. Da meine Masseuse heute Ausgang hatte, begann ich mich selbst zu massieren.
Allmählich machte ich verschwommen eine eingeschaltete Nachttischlampe aus, Teppiche, nichts als Teppiche auf dem Boden und an den Wänden, einen vergreisten, knapp vierzigjährigen Mann in schwarzen Jeans und grauer Windjacke und einige lederbejackte Gestalten in Reih und Glied.
In welchen Gesangsverein bin ich da geraten, dachte ich und brachte einigermaßen mühsam hervor: „Hat vielleicht jemand zufällig eine Kiste Mineralwasser dabei?“
„Ich heiße Eliezer Hikmet. Ich bin Diplomingenieur und hier geboren. Ich konstruiere automatische Falttüren für U-Bahnen. Aber nun habe ich den heiligen Krieg ausgerufen! Und diese da sind mir gefolgt!“ Hikmet, ihm gehörte die kultivierte Stimme von vorhin, die mich in meinem Teppichsarg so entzückt hatte, wies auf fünf Pickelgesichter in schwarzen Hosen, grauen Rollkragen-Pullovern und Lederjacken, bewaffnet mit Baseballschlägern, die größer waren als sie selbst. Es war wohl eine Art Uniform, dachte ich, und dann: Er führt seinen Krieg mit Kindern; die sind doch alle kaum älter als sechzehn.
„Es waren diese fünf, die Sie hierher gebeten haben.“
Gebeten ist gut, dachte ich. Mit einigem Schmalz in der Stimme sagte ich: „Gegen fünf solcher Männer gibt es keinen Kampf mit Aussicht auf Erfolg.“ Die Knabengesichter glänzten vor Stolz.
„Zwei von ihnen haben Sie außerdem einige Zeit, während wir Sie dunsten ließen, bewacht, ohne daß Sie ihre Anwesenheit bemerken durften.“
„Ich habe keinen Mucks gehört.“ Die zwei Kleinsten der Kinderkompanie warfen sich bei diesem Lob in die Brust und bekamen noch speckigere Gesichter. Eigentlich war es wie bei den Pfadfindern, dachte ich; nur hatten diese Pfadfinder vor, sich gleichzeitig mit den Nazis und der Mafia anzulegen, was einem veritablen Selbstmord gleichkam. Eigentlich rede ich mit einem toten Mann und werde von fünf toten Kindern ausdauernd beobachtet, dachte ich.
„Das war ihre erste militärische Leistung in diesem Krieg.“
„Und Kaddisch?“
„Er war keiner von uns. Er war auf Ausgleich bedacht. Er war bereit, Kompromisse zu schließen. Trotzdem hat er hier großes Ansehen genossen. Deshalb möchten wir etwas für ihn tun. Ein solche Tat könnte uns nützen.“
„Okay. Sagen Sie Ihren Legionären, daß sie mir aufhelfen sollen. Ich verhandle nicht im Sitzen.“
Der Diplomingenieur bellte etwas in einer Sprache ohne Vokale, und die fünf Pubertierenden stemmten mich augenblicklich hoch. Meine Beine zitterten wie die eines neugeborenen Fohlens. Eine Welle saurer Übelkeit überflutete meinen Magen.
Den Spaß mit dem Teppich sollten wir öfters machen, wirklich entspannend, direkt eine Art Therapie, dachte ich. Nur, eine Therapie wogegen, fragte ich mich und kam zum Schluß: Wahrscheinlich eine Therapie gegen das Leben ...
„Werden Sie uns anzeigen?“ fragte Hikmet.
„Ich habe es mir zum Lebensprinzip gemacht, Lebensmüde nicht anzuzeigen“, antwortete ich.
„Der Wagen, der ‘Kaddischs Schickse’ - ich zitiere - über den Haufen gefahren hat, ist die Eisnerstraße von Norden hoch gekommen, also möglicherweise aus Ihrem ...“
„Sagen Sie schon, wie die Gegend hier von den sogenannten Ariern genannt wird. Sagen Sie’s schon, wir können was vertragen“, höhnte Diplomingenieur Hikmet.
„Der Wagen ist also möglicherweise aus Klein-Ankara gekommen oder hier durchgefahren. Das ergibt sich aus den amtlichen Markierungen am Tatort. Bringen Sie mir Zeugen. Je mehr, desto besser.“
„Sie reden wie ein Sch...-Polizist“, brach es plötzlich aus einem der disziplinierten Kinderkrieger heraus.
„Das stimmt, ich bin der letzte Polizist in dieser Stadt. Auch ohne Amtskappel, ohne pragmatisches Dienstverhältnis und ohne Glock-Pistole. Ein unglaublich stures Exemplar von Polizist.“
„Sie brauchen uns also noch? Wegen der Zeugen?“ grinste Eliezer Hikmet.
„Ich bin Kaddischs Mann, ich gebe mich
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