Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann
nicht viel mehr Widerstand als das österreichische Bundesheer 1938 dem Einmarsch der Wehrmacht.
Ich stocherte es mit dem Halteclip meines Kugelschreibers auf.
Im dämmergrünen Flur roch es nach Pech und nach den lange nicht mehr gesaugten Teppichen eines Junggesellen. Hinter der ersten Tür rechts hörte ich eine Brause plätschern, die zweite Tür links ging in eine kleine Küche.
Vom Spital in die Eisnerstraße war ich durch Seitengassen geschlichen, durch Innenhöfe von Gemeindebauten, durch Schrebergärten und über private, inoffizielle Gehwege. Ich hatte mich unter Verandas und Vordächer gestellt, in Hauseinfahrten, in Wartehäuschen und war dort jeweils kurz verharrt. In einem Trödelladen hatte ich einen billigen Keramik-Briefbeschwerer in Form eines weiblichen Popos gekauft, den ich wenig später ordentlich in einer Mülltonne deponierte, wo er auch hingehörte. Die Luft war kalt und schmutzig gewesen sowie meine Vorsicht offensichtlich überflüssig, denn von Gabloner und meinem Wagen fehlte jede Spur.
„Mann, was machen Sie da?“
An Getränken hatte J. Nowak nur einen mäßigen Grünen Veltliner im Tetrapack im Kühlschrank - die absolut zuverlässigste Methode, einen schlechten Wein noch schlechter zu machen. Aber im Kühlschrank gab es auch einen ganz annehmbaren Tilsiter, einen vorzüglichen, rahmigen Mischkäse aus Schafs- und Kuhmilch, einen Rest Butter, etwas Marillenmarmelade, vor allem aber ganz frische Mohnweckerl - das Besteck und einen kleinen Teller mußte ich allerdings nachwaschen, was bei einem Junggesellen nicht weiter verwunderlich ist.
„Sehen Sie das nicht, ich bin bei Ihnen eingezogen?! Ich hoffe, Sie sind nur halb so schwul, wie Sie derzeit aussehen.“ J. Nowak hatte ein rosa Handtuch mit Donald Duck-Motiven um die Hüften geschlungen. Die zahlreichen, mittlerweile in allen Farben schillernden Hämatome auf Gesicht und Oberkörper standen ihm nicht besonders gut.
„Was?“
„Sie gehören eindeutig nicht ins Villenviertel, wo ich Sie heute gesehen habe. Sie können dort auch keine Freunde oder Bekannte haben. Ihr einziger Freund bin derzeit ich. Übrigens, der Weichkäse war schon überreif. Sie sollten Ihre Kühlschranklogistik verbessern.“
Von J. Nowaks dünnen Haaren tropfte Wasser auf den farblosen Linoleumboden der Küche.
„Tun Sie mir einen Gefallen: Ziehen Sie sich an. So viel Schönheit auf einmal tut meinen Augen weh.“
Während J. Nowak in einem Nebenzimmer verschwand, entdeckte ich noch einen Rest roten Schlierkäses in einem Seitenfach des Kühlschrankes. Leider war absolut kein Gebäck mehr da.
J. Nowak hatte noch nicht genug. Er hatte seinen Führerschein verloren, die Unversehrtheit seines teigigen Körpers, man war ihm auf die Zehen gestiegen und hatte seine Tür demoliert, aber er hatte noch immer nicht genug. Er war jetzt zwar in Hemd und Hosen, hatte sich aber natürlich eine Waffe - einen Baseballschläger, den er wie einen Vorschlaghammer hielt - aus dem Nebenzimmer geholt und fuchtelte jetzt damit wild vor meiner Nase herum.
Ich legte meine Granate wie ein metallenes Frühstücksei neben das leere Marmeladeglas und lenkte damit die kommende Konversation in etwas ruhigere Bahnen. Im übrigen war ich keinen Deut besser als J. Nowak. Ich fuchtelte nur nicht so wild mit der Waffe herum wie er.
„Was Sie da versuchen, ist keine harmlose kleine Durchstecherei mehr, das ist Oberliga. Sie bohren da jemanden im Villenviertel an, der schon eine kaltgemacht hat und es bei einem zweiten zumindest ehrlich versucht hat. Wenn Sie mich fragen, sind Sie ein toter Mann.“
„Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen“, antwortete J. Nowak und stützte sich auf den Baseballschläger wie auf einen Spazierstock. Von seiner hohen Stirn über dem teigigen Gesicht tropfte diesmal kein Badewasser, sondern die Angst sowie eine kleinbürgerlich-gerissene Vorsicht, von der er sicherlich glaubte, daß sie sein größtes Kapital war. In diese Vorsicht würde Schir Khan, der Tiger, ein blutig-schorfiges Loch reißen, ohne größere Mühe, nur so, wie man ein Lämmchen reißt.
„Ich sehe schon, wie Schwefelwasserstoff aus Ihren Därmen Ihren Bauch schwarz färbt. Ich sehe schon, wie der Pathologiegehilfe links um Ihren Nabel herumschneidet. Ich sehe schon den Zinksarg, in dem man Sie abtransportiert aus irgendeiner schmutzigen Ecke.“
„Mann, Sie sind krank. Ich kann schon auf mich aufpassen.“ Damit hatte mir J. Nowak durch die Blume gesagt, daß ich nicht auf dem
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