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Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Titel: Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Wieninger
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vermied ich.
    Der gelbe, dünne Schnee schmierte unter meinen Füßen. Zunächst ging es durch Felder, die so tot waren, wie es eine Agrarwüste im Winter nur sein konnte. Nach einem Steg über einen Mühlbach, den keine Mühle mehr nutzte, roch ich den Fluß, sein langsames, kaltes Wasser. Er war schuhpastabraun vom Abwasser der Chemiefabrik, und Schaum von derselben Färbung erbrach sich über die Wehre. Der Fluß quälte sich mit Niedrigwasser zwischen Schotterinseln und Sandbänken hindurch.
    Gelbbrauner, verfilzter Auwald bedeckte seine Ufer. Der gestrige Schnee war längst von den Blätterkronen abgeschüttelt worden und lag in kleinen Häufchen unter den Stämmen. Ich entdeckte im Gelände schon bald nie zugeschüttete Bombentrichter, versunkene Schützengräben und ehemalige Artilleriestellungen. Es gab einen Saumpfad durch die Au Richtung Stadt, der im Sommer von Spaziergängern, Liebespaaren mit Spannern im Schlepptau, häufig benützt wurde, aber jetzt war nur ich im niedrigen Wald und ein paar knochige, krächzende Vögel und alles, was unter der Erde den großen Schlaf schlief.
    Die Toten von der Nordbrücke hatten einen Moment zu mir gesprochen, nachdrücklich, aber ich hatte keine Spur davon verstanden, und ihre Worte waren mir wie Sand durch die Finger gelaufen. Dieser Sand wurde auch jetzt noch, nach fünfzig Jahren, unmerklich von denen bewegt, die darunter lagen, aber es war nichts mehr darin zu lesen, nur mehr eine leise Wut. Die Toten von der Nordbrücke hatten sich den Falschen ausgesucht. Ich war durch diesen Fall gestolpert wie ein Kinderkreisel mit dem allerletzten Rest an Drehmoment, und ich hatte gerade so viel oder so wenig herausgefunden wie Marco Polo in China: nichts als Geschichten und G’schichterln, den großen Khan hatte ich nie zu Gesicht bekommen.

XXXVIII
    Es war ein Schritt in die Normalität zurück, als ich die zerschnittene Matratze und den eingetretenen Fernseher ganz einfach auf der Straße vor dem Bahnwärterhäuschen abstellte, obwohl es bis zum regulären Sperrmüll-Abfuhrtermin noch einige Monate hin waren. Es war so wundervoll normal wie Magenkrämpfe nach drei Portionen Schweinsbraten mit Waldviertler Knödeln, den Kleiderkasten russisch zusammenzunageln, das grüne Flaschenglas darin wegzuwerfen und eine der wenigen heilgebliebenen Bouteillen auszutrinken. Es war übrigens ein fast violetter Blauer Portugieser aus Röschitz von unglaublicher Brillanz, obwohl er nun schon monatelang unter meinen Anzügen ruhte. Es war wie Urlaub, aus dem Excalibur eine Matratze heranzuschleppen, nicht ohne vorher mit der Verkäuferin über die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten geflachst zu haben.
    Im gelbgrünen Dämmer der Au und garantiert noch ohne Alkoholeinfluß hatte ich beschlossen, Gabloner nicht mehr aus dem Weg und einfach nach Hause zu gehen. Als ich gegen Mittag mit wunden Füßen in der Birkengasse angekommen war, stand der Granada einfach so vor dem Bahnwärterhäuschen. Unversperrt, der Schlüssel steckte. Aus dem Handschuhfach fehlten die Mozartkugeln und die Pistole 08, der Tank war beinahe leer, und irgendein besonders witziger Zeitgenosse hatte einen Sack Hausmüll auf dem Beifahrersitz deponiert. Aber ich hatte mein Baby wieder.
    Als ich eben meine erste richtige Mahlzeit seit Tagen - Dosengulasch - durch gekonntes Anbrennen verpatzt hatte, klingelte das Telefon. Nach kaum einem halben Tag war der Urlaub auch schon vorbei, die Knochenmühle rief nach Marek Miert.
    „Sind Sie noch mein Mann?“ Der undefinierbare Akzent. Kaddisch.
    „Von wo rufen Sie an?“ Eine ziemlich blöde Frage, wenn man ziemlich sicher damit rechnen konnte, daß Gabloner mein Telefon abhörte.
    „Aus Wien. Vom Westbahnhof. Oder aus Tirana. Oder ...“
    „Verstanden.“
    „Haben Sie den Namen des Fahrers?“
    „Noch nicht.“ Was machte mich bloß so sicher, daß ich den Namen überhaupt jemals herausfinden würde?
    „Also sind Sie noch mein Mann?“
    „Ich bin immer loyal zu meinen Klienten gewesen. Sie sind mein Klient.“
    Meine Eitelkeit war seit jeher nicht barock, sondern gotisch.
    „Vergessen Sie nicht: Ich bin das Schwert in Ihren Händen.“
    „Was ...?“
    Auf einmal war die Leitung tot.

XXXIX
    J. Nowak besaß eine beeindruckende Sammlung von Kaffeehäferln mit Disney-Figuren als Zierat, wenig und abgeschartetes Nachkriegsemail-Geschirr der Reiss-Werke, eine Vielzahl von Preßglas-Bierkrügeln und kein vollständiges Service. Alle diese Küchenbehältnisse hatten

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