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Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann

Titel: Marek-Miert 01 - Der dreizehnte Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Wieninger
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zugefroren, und als ich Bausch noch kurz nach dem Aussteigen nach einer Toilette gefragt hatte, hatte er mit einer schwungvollen Handbewegung aus dem Wagen heraus auf das ganze Gelände gewiesen.
    „Im Winter wird uns das Wasser abgedreht, weil niemand hier ist außer ein paar Sandlern.“
    Was mich aber am meisten schockierte: Das Schulmädchen, das Bausch so erschreckend tief und verzweifelt und dumm geliebt hatte, war heute niemand anderer als Frau Zenz. Ich wußte nicht, ob ich ihm mit dieser Information wirklich einen Gefallen getan hatte. Die Hölle, das ist immer der andere.

XXXV
    Ich machte es mir in Anzug, Hemd und Hose auf Bauschs Campingbett unbequem und deckte mich mit dem blauen Schlosseranzug zu, in dem er im Sommer seine Gartenarbeit verrichtete. In einer Kiste hatte ich eine Dose Gulasch gefunden, auch einen Dosenöffner, aber kein Streichholz mehr, um Bauschs Spirituskocher in Gang zu bringen. Der Zwieback fluoreszierte grünlich von einer offenbar etwas exotischeren Schimmelpilzart, und zwei Bierflaschen waren durch die Kälte aufgeplatzt wie überreife Kürbisse. Ich hatte ein wenig am Eisbier geleckt, es dann aber bleiben lassen, um mir die Zunge nicht an einem Splitter zu zerschneiden. Immerhin war Reden so ziemlich das einzige, was ich gut konnte.
    Die Kälte sang mir kein Schlaflied, sondern biß sachlich, ohne persönlichen Groll gegen mich, in meine Extremitäten, in meine Ohren, in meine veritable Nase. Ich fühlte mich schon bald wie eine Tiefkühlpizza. Die Dämmerung war wie ein Überfall gekommen und hatte alles zugedeckt mit dem Zuwenig, mit dem Nichts, aus dem sie bestand. Nur der gelbe Schnee reflektierte etwas Restlicht, und es wurde nicht richtig dunkel, sondern graudunstig wie im Hirn eines melancholischen Bahnschaffners.
    Die teutonischen Helden Karl Mays schlafen in der Wildnis für gewöhnlich mit halboffenen Schlangenaugen, ich jedoch schlief in meiner Schrebergarteneinöde wie eine tote Schlange. Darüber hinaus habe ich den Wendepunkt zwischen Schlaf und Wachen immer schon nur mehr schlecht als recht bestimmen können. So hielt ich auch die beiden Zottelbären, die plötzlich in der Hütte auftauchten und zu randalieren begannen, für einen obskuren Teil meiner Traumwelt.
    In diesem Traum stand Bauschs Hüttentür sperrangelweit offen, so daß noch mehr gelbe, elektromagnetische Wellen in den kleinen Raum schwappten. In diesem schäbigen Restlicht sah ich zwei tapsige Bären, die mit Zaunlatten auf alles eindroschen, was sich im Hütteninneren befand. Zwei Gartenzwerge waren schon einen Kopf kürzer, und das Wasserfaß war umgefallen. Nicht nur der Lärm war infernalisch, im gelben Dämmer glich das Ganze auch einer Ballettparodie, einem Modern-Dance-Abend für zwei langmähnige, langbärtige, absolut nicht langmütige Neandertaler mittleren Alters. Denn die beiden, so konnte ich im Zwielicht des Traumgespinstes immerhin erkennen, hatten veritable Bäuche, und ihre schmetternden Schläge kamen relativ langsam. Sie keuchten.
    Für einen Traum war das alles nicht besonders ungewöhnlich, aber als ich einen Schlag auf meiner Schulter landen spürte, war der Wendepunkt erreicht.
    „Du willst in Ruhe büseln, da? Du mußt mit was rüberrücken. Fünfzig für den Anfang? Fünfzig!“ sagte der Zottelbär, der mich geschlagen hatte.
    „Unser Revier!“
    Die beiden standen schlagfertig rechts und links von der Campingliege. In solchen Situationen ist es mit meiner Schlagfertigkeit nicht weit her.
    „Das halte ich für absolut angemessen“, beeilte ich mich zu versichern.
    „Was?“ blaffte der eine links von mir, der offenbar als einziger des Duos über die Gabe der Rede verfügte.
    „Ich zahle die fünfzig.“ Offensichtlich war in diesem Fall ein restringierter Code vonnöten.
    Die beiden entspannten sich, ließen die Zaunlatten sinken und traten vom Bett zurück. Als sie die Latten auch noch als Gesäßstütze verwendeten, sah ich, daß sie weit jenseits der Fünfzig waren, gezeichnet vom Alkohol und vom schlechten Leben.
    Ich hatte zwei, drei Sekunden zu überlegen, daß ich die geforderten Fünfzig nicht klein hatte. Wenn ich ihnen aber einen von Saleks großen Scheinen zeigte, würden sie mich erschlagen, so viel war sicher.
    Ich setzte mich langsam wie eine depressive Weinbergschnecke auf und war bemüht, die Beine auf den Boden zu bringen. Gleichzeitig versuchte ich, den Gesichtsausdruck eines total verängstigten Dackels zustande zu bringen, was mir dank meiner

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