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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Schals ihr Gesicht nicht gesehen hatte.
    »Nein, ich
will hierbleiben und die Sonne untergehen sehen, das ist so schön. Bitte, hol
mir doch meinen Schal, Mammy, ich bleibe hier, bis Pa zurückkommt.«
    »Deine
Stimme klingt, als hättest du dich schon erkältet«, sagte Mammy argwöhnisch.
    »Ich habe
mich nicht erkältet.« Scarlett wurde ungeduldig. »Du holst mir jetzt meinen
Schal.«
    Mammy
watschelte durch die Halle zurück, Scarlett hörte sie durch das Treppenhaus
nach dem Stubenmädchen rufen, hörte die Stiege knarren und stand leise auf.
    Wenn Mammy
zurückkam, würde sie sich wieder über Scarletts Unhöflichkeit verbreiten, und
Scarlett konnte solches Gerede einfach nicht ertragen, während ihr das Herz
brach. Da stand sie nun, zögerte, wußte nicht, wo sie sich verstecken sollte,
bis das Herzweh ein wenig nachließ. Da kam ihr ein Gedanke. Ihr Vater war nach
Twelve Oaks, der Wilkesschen Plantage, hinübergeritten, um Dilcey, die Frau
seines Dieners Pork, zu kaufen. Dilcey war Frauenaufseherin und Hebamme in
Twelve Oaks, und seit ihrer Heirat vor sechs Monaten hatte Pork seinem Herrn
Tag und Nacht in den Ohren gelegen, er möge doch Dilcey kaufen, damit sie auf
derselben Plantage zusammen leben könnten. Geralds Wiederstandskraft war
allmählich fadenscheinig geworden, und so hatte er sich an diesem Nachmittag
aufgemacht, um auf Dilcey ein Gebot abzugeben.
    »Pa weiß
sicher«, dachte Scarlett, »ob die schreckliche Geschichte wahr ist. Wenn er
nichts gehört hat, so hat er doch vielleicht etwas bemerkt, vielleicht einige
Aufregung bei Wilkes gespürt. Wenn ich ihn vor dem Abendessen noch unter vier
Augen sehe, so bekomme ich vielleicht die Wahrheit heraus, daß es nämlich
weiter nichts ist als eine dumme Lüge der beiden Tarletons.«
    Es war an
der Zeit, daß Gerald zurückkam, und wenn sie ihn allein sehen wollte, blieb ihr
nichts übrig, als bei der Mündung der Auffahrt in die Landstraße auf ihn zu
warten. Leise ging sie die Stufen hinunter, sah sich behutsam um, ob Mammy sie
etwa von oben aus einem Fenster beobachten konnte, und als sie kein schwarzes
Gesicht mit schneeweißem Turban mißbilligend zwischen wehenden Vorhängen
hervorlugen sah, raffte sie entschlossen ihr grünes geblümtes Kleid zusammen
und lief, so schnell ihre Füße sie tragen wollten, durch den Garten zur
Einfahrt hinunter.
    Die
dunklen Zedern zu beiden Seiten schlossen sich über ihr zu einem Gewölbe
zusammen und verwandelten die lange Allee in einen dämmerigen Tunnel. Sobald
sie sich dann geborgen fühlte, ging sie langsamer. Sie keuchte noch, denn sie
war zu fest geschnürt, als daß sie schnell hätte laufen können. Bald war sie am
Ende der Auffahrt draußen auf der Landstraße, aber sie hielt erst an, als sie
um die Ecke gebogen war und eine große Baumgruppe zwischen sich und dem Hause
hatte.
    Atemlos
und mit erhitzten Wangen setzte sie sich auf einen Baumstumpf und wartete auf
ihren Vater. Er hätte schon hier sein müssen, aber sie war froh, daß er sich
verspätete, so hatte sie Zeit, Atem zu holen und ihr Gesicht so weit zur Ruhe
zu bringen, daß er keinen Verdacht schöpfen konnte. Jeden Augenblick mußte
Hufschlag erschallen, und sie würde ihn in seinem halsbrecherischen Tempo den
Hügel heraufgaloppieren sehen. Aber die Minuten vergingen, und Gerald kam
nicht, das Herz wurde ihr wieder bitterlich schwer.
    Ihre
Gedanken folgten den Windungen der Straße, die nach dem Frühlingsregen blutrot
vor ihr lag, den Hügel hinab bis an den trägen Flintfluß, durch das Gewirr der
sumpfigen Wiesen und gegenüber den Hügel wieder hinauf nach Twelve Oaks, wo
Ashley wohnte. Nur das war jetzt der Sinn dieser Straße: sie führte zu Ashley
nach dem schönen Haus mit den weißen Säulen, das den Hügel krönte wie ein
griechischer Tempel »O Ashley! Ashley!« Das Herz schlug ihr rascher.
    Etwas von
der eiskalten Verwunderung und Unglückseligkeit, die auf ihr lasteten, seitdem
die Tarletons ihr den Klatsch erzählt hatten, glitt in die Tiefen ihres Gemüts
zurück und machte dem Fieber Platz, von dem sie seit zwei Jahren besessen war.
    Jetzt kam
es ihr sonderbar vor, daß sie Ashley früher nie besonders anziehend gefunden
hatte. Damals sah sie ihn kommen und gehen und hatte keinen Gedanken für ihn.
Aber seit jenem Tag, vor zwei Jahren, als Ashley nach seiner langen Europareise
seinen ersten Besuch in Tara machte, hatte sie ihn geliebt. Sie hatte auf der
Veranda vor der Eingangstür des Hauses gesessen, als er in seinem

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