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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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und die wunderlich verhaltene
Art seiner Zuneigung erhöhte nur ihre Sehnsucht, ihn ganz für sich zu gewinnen.
Daß er eines Tages um sie anhalten würde, stand für sie fest. Sie war viel zu
jung und zu verwöhnt, um zu wissen, was Niederlage ist. Und nun kam die
schreckliche Nachricht wie ein Donnerschlag. Ashley wollte Melanie heiraten!
Das konnte nicht sein!
    Erst
vorige Woche, als sie in der Dämmerung von Fairhill zusammen nach Hause ritten,
hatte er gesagt: »Scarlett, ich habe dir etwas so Wichtiges zu erzählen, daß
ich kaum weiß, wie ich es dir sagen soll.«
    Sie hatte
sittsam die Augen niedergeschlagen, während ihr das Herz in wilder Freude
schlug. Sie meinte, der Augenblick sei gekommen. Da hatte er fortgefahren:
»Jetzt nicht, wir sind beinahe zu Hause und haben keine Zeit mehr. Ach,
Scarlett, was bin ich für ein Feigling!« Dann hatte er seinem Pferd die Sporen
gegeben und war mit ihr in wildem Rennen den Hügel nach Tara hinaufgestürmt Scarlett
saß auf ihrem Baumstumpf und bedachte die Worte, die sie so glücklich gemacht
hatten, und auf einmal bekamen sie einen anderen, einen häßlichen Sinn. Wenn er
ihr nur seine Verlobung hatte mitteilen wollen! Ach, käme doch Pa nach Hause!
Das bange Warten ertrug sie nicht mehr.
    Die Sonne
war nun hinter dem Horizont verschwunden, und die rote Glut am Rande der Welt
erlosch in rosigen Tönen. Der blaue Himmel droben verwandelte sich allmählich
in das zarte Blaugrün des Rotkehlchens, und die überirdische Stille ländlicher
Dämmerung senkte sich sacht herab. Die Landschaft zerfloß im Schatten der roten
Furchen, die klaffende rote Landstraße war nicht mehr so hexenhaft blutrünstig,
sie wurde zu schlichter brauner Erde. Jenseits der Straße standen Pferde,
Maultiere und Kühe still auf der Weide, den Kopf über den Zaun gelegt, und
warteten darauf, in den Stall getrieben zu werden. Der dunkle Schatten des
Dickichts am Wiesenbach war ihnen unheimlich, die Ohren zuckten zu Scarlett
hinüber, als sehnten sich die Tiere nach der Gesellschaft des Menschen. Die
hohen Pechkiefern auf der Flußniederung, die unterm Sonnenlicht in so warmem
Grün erglühten, standen jetzt schwarz vor dem pastellfarbenen Himmel, eine
undurchdringliche Reihe von Riesen, die das träge gelbe Wasser zu ihren Füßen
verbargen. Auf dem Hügel jenseits des Flusses verschwanden die hohen weißen
Schornsteine des Wilkesschen Hauses allmählich in der Finsternis der mächtigen
Eichen, die sie umgaben. Nur an den Tischlampen, die fern und winzig wie
Stecknadelköpfe herüberleuchteten, konnte man noch sehen, daß dort ein Haus
stand. Die warme, balsamische Feuchtigkeit des Frühlings, der frische Duft des
gepflügten Ackers, der Sonnenuntergang waren für Scarlett nichts Wunderbares.
Sie nahm all die Schönheit so gedankenlos hin wie die Luft, die sie atmete, und
das Wasser, das sie trank. Schönheit hatte sie bisher mit Bewußtsein nur auf
Frauengesichtern und an Pferden, an seidenen Kleidern und ähnlich greifbaren
Dingen wahrgenommen.
    Doch die
friedvolle Dämmerung über Taras Feldern brachte ihrem verwirrten Gemüt ein
wenig Ruhe. Ohne es zu wissen, liebte sie ihre Heimat so innig wie das
Angesicht ihrer Mutter unter der Lampe zur Stunde der Abendandacht.
    Noch immer
keine Spur von Gerald auf der stillen gewundenen Landstraße! Wenn sie noch
länger wartete, kam sicher Mammy, sie zu suchen und mit Gewalt nach Hause zu
bringen. Als sie eben wieder die dunkelnde Landstraße hinabspähte, hörte sie
Hufschlag unten am Weidenhügel und sah Pferde und Kühe erschreckt
auseinanderstieben.
    Gerald
O'Hara kam quer über die Felder in gestrecktem Galopp nach Hause geritten. Auf
seinem schweren langbeinigen Braunen sah er von fern aus wie ein Junge, für den
das Pferd viel zu groß ist. Er trieb es mit Peitsche und lautem Zuruf an. Sein
langes weißes Haar wehte im Winde hinter ihm her. Obwohl Scarlett von ihren
Sorgen ganz erfüllt war, betrachtete sie ihn mit liebevollem Stolz, denn Gerald
war ein vorzüglicher Reiter. »Warum er nur immer über Zäune setzen muß, wenn er
ein paar Glas getrunken hat«, dachte sie, »und das gerade an dieser Stelle,
nach seinem Sturz voriges Jahr, als er sich hier das Knie brach. Dabei hat er
Mutter unter Eid versprochen, nie wieder zu springen.«
    Scarlett
hatte keine kindliche Angst vor ihrem Vater, und sie empfand eher ihn als ihre
Schwestern wie gleichaltrig. Über Zäune zu springen und vor seiner Frau etwas
geheimzuhalten, erfüllte ihn mit einem

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