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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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knabenhaften Stolz und einer
schuldbewußten Wonne, die ihrem eigenen Vergnügen gleichkam, wenn sie Mammy
hinters Licht führen konnte. Sie stand auf, um ihn zu beobachten. Das schwere
Pferd war jetzt am Zaun angelangt, setzte an und sprang mühelos hinüber. Der
Reiter jauchzte vor Begeisterung. Die Peitsche knallte durch die Luft, das
weiße Lockenhaar flog empor. Gerald sah seine Tochter im Schatten der Bäume
nicht, er zog die Zügel wieder an und klopfte seinem Pferd anerkennend den
Hals.
    »Keiner in
der Provinz und keiner im Staat reicht dir das Wasser«, teilte er voll Stolz
seinem Roß mit; die Mundart der irischen Grafschaft Meath beschwerte ihm trotz
neununddreißigjährigem Aufenthalt in Amerika noch immer die Zunge. Dann machte
er sich rasch daran, das Haar zu glätten und die Krawatte zurechtzuziehen, die
ihm schief hinter einem Ohr saß. Dies tat er, um als Gentleman vor seine Frau
zu treten, der würdevoll von einem Nachbarbesuch nach Hause geritten war. Das
wußte Scarlett, und sie hatte die Gelegenheit, die sie brauchte, um ein
Gespräch anzufangen, ohne ihre eigentliche Absicht zu verraten. Sie lachte laut
auf. Gerald stutzte, dann erkannte er sie, und sein blühendes Gesicht bekam
einen zugleich schuldbewußten und trotzigen Ausdruck. Mit einiger Anstrengung
stieg er ab, denn sein Knie war noch steif, und stapfte mit den Zügeln über dem
Arm auf sie zu.
    Er kniff
sie in die Wange. »Du hast mir also aufgelauert, kleines Fräulein, damit du
mich, wie neulich Suellen, bei deiner Mutter anschwärzen kannst?«
    Seine
heisere Baßstimme grollte, aber hatte doch einen einschmeichelnden Klang.
Scarlett schnalzte neckend mit der Zunge, als sie die Hand ausstreckte, um ihm
die Krawatte wieder zurechtzurücken. Mit seinem Atem schlug ein starker Dunst
von Bourbon-Whisky mit einem leichten Anflug von Pfefferminzgeruch ihr ins
Gesicht. Auch den Geruch von Kautabak, von geöltem Leder und von Pferden
brachte er mit, ein Gemisch, das sie stets an ihren Vater erinnerte und ihr
daher auch bei anderen Männern unwillkürlich angenehm war.
    »Nein, Pa,
ich bin keine Klatschbase wie Suellen.« Sie trat zurück und musterte
sachverständig seinen wieder in Ordnung gebrachten Anzug.
    Gerald war
ein kleiner Mann, wenig größer als fünf Fuß, aber so vierschrötig und
stiernackig, daß er, wenn er saß, größer wirkte, als er war. Sein untersetzter
Rumpf wurde von kurzen, stämmigen Beinen getragen. Sie steckten immer in den
feinsten Reitstiefeln, die aufzutreiben waren, und er stand so breitbeinig
darauf wie ein vierjähriger Gernegroß. Wenn ein kleiner Mensch sich ernst
nimmt, macht er sich leicht lächerlich, aber der Bantamhahn ist im Hühnerhof
eine geachtete Persönlichkeit, und Gerald war es auch. Niemand kam je auf den
kühnen Gedanken, in Gerald O'Hara einen Knirps zu sehen. Er war sechzig Jahre
alt, und sein krauses Lockenhaar glänzte silberweiß. Aber sein gescheites
Gesicht hatte nicht eine Falte, und in den harten kleinen blauen Augen blitzte
die unbekümmerte Jugendlichkeit eines Menschen, der sein Gehirn nie mit
abstrakteren Problemen beschäftigt hat, als wieviel Karten beim Pokerspiel zu
kaufen seien. Sein Gesicht war so irisch, wie es selbst in seiner Heimat, die
er schon so lange verlassen hatte, weit und breit kein irischeres gab: rund,
hochrot, mit kurzer Nase und breitem Mund und über die Maßen streitlustig.
    Aber unter
diesem Äußeren verbarg Gerald O'Hara das weichste Herz. Er konnte es nicht mit
ansehen, wenn ein Sklave zu seinen Vorhaltungen maulte, mochten sie noch so gerecht
sein, er konnte kein Kätzchen miauen, kein Kind schreien hören. Aber es war ihm
in der Seele zuwider, auf dieser Schwäche ertappt zu werden. Daß jeder, der ihm
begegnete, nach fünf Minuten sein gutes Herz entdeckte, ahnte er nicht, und
hätte er es geahnt, seine Eitelkeit hätte gewaltig darunter gelitten. Er gefiel
sich in dem Gedanken, daß jeder ihm zitternd gehorchte, wenn er aus
Leibeskräften seine Befehle brüllte. Daß auf der Plantage nur eine Stimme
Gehorsam fand, nämlich die sanfte Stimme seiner Frau Ellen, war ihm nie in den
Sinn gekommen. Dieses Geheimnis sollte er nie erfahren, denn von Ellen bis
hinunter zum letzten Sklaven bestand eine stillschweigende Verschwörung, ihn in
dem Glauben zu lassen, sein Wort sei Gesetz. Auf Scarlett machte sein lärmendes
Gehaben am allerwenigsten Eindruck. Sie war die Älteste, und seitdem Gerald
wußte, daß auf seine drei Söhne, die auf dem

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