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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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oder nicht. Und zugeben sollte er es, dafür wollte sie schon
sorgen.
     
    Tags
darauf stand sie mit einem Kamm in der Hand und dem Mund voller Haarnadeln vor
dem Spiegel und probierte eine neue Frisur aus, von der Maybelle, die gerade aus
Richmond zurückgekehrt war, behauptete, sie sei in der Hauptstadt letzte Mode.
Sie wurde »Katzen, Ratten und Mäuse« genannt und bot manche Schwierigkeit. Das
Haar wurde in der Mitte gescheitelt und zu beiden Seiten des Kopfes in drei
Rollen gelegt, eine immer kleiner als die andere, deren größte, dem Scheitel
zunächst, die »Katze« hieß. Die »Katze« und die »Ratte« waren leicht zu
befestigen, die »Mäuse« dagegen brachten sie schier zur Verzweiflung, weil sie
immer wieder den Haarnadeln entwischten. Sie war jedoch fest entschlossen, das
Getier zu bewältigen, denn Rhett wurde zum Abendessen erwartet. Ihm entging
keine Neuerung an ihrer Kleidung oder ihrer Frisur.
    Als sie
noch mit ihren widerspenstigen Locken kämpfte, daß ihr der Schweiß auf der
Stirn stand, vernahm sie auf dem unteren Flur die leichten flinken Schritte
Melanies, die vom Lazarett nach Hause gekommen war. Als sie dann hörte, wie sie
die Treppe herauflief, immer zwei Stufen mit einem Schritt nehmend, hielt
Scarlett mit der Haarnadel auf halbem Wege inne. Da mußte etwas nicht in
Ordnung sein, denn Melanie war in ihren Bewegungen sonst so gemessen wie eine
alte Dame. Die Tür wurde aufgerissen, und schon kam mit hochrotem, verstörtem
Gesicht Melanie hereingestürzt wie ein schuldbewußtes Kind. Auf ihren Wangen
saßen Tränen, der Hut, der noch von den Bändern gehalten, war ihr in den Nacken
gerutscht. Sie hielt etwas fest in der Hand, und der Dunst starken, billigen
Parfüms kam mit ihr ins Zimmer.
    »Ach,
Scarlett«, rief sie ihr entgegen, schloß die Tür und fiel auf das Bett, »ist
Tantchen schon zu Hause? Scarlett, ich schäme mich so, ich möchte sterben, und
fast wäre ich ohnmächtig geworden, und denke dir, Scarlett, Onkel Peter hat
gedroht, er wolle es Tante Pitty sagen.«
    »Was
sagen?«
    »Daß ich
mit ... mit Fräulein ... mit Frau ...« Melanie fächelte sich das heiße Gesicht
mit dem Taschentuch. »... mit der Frau mit dem roten Haar, mit Belle Watling
gesprochen habe!«
    »Aber
Melly!« Scarlett war so entsetzt, daß sie sie nur groß anschauen konnte.
    Belle
Watling war jene rothaarige Frau, die ihr an ihrem ersten Tag in Atlanta auf
der Straße aufgefallen war. Inzwischen war sie bei weitem das stadtbekannteste
Frauenzimmer geworden. Viele Dirnen waren auf den Spuren der Soldaten nach
Atlanta gekommen, aber Belle stach von allen andern durch ihr flammendes Haar
und ihre herausfordernde Kleidung ab. Auf der Pfirsichstraße oder in anderen
guten Gegenden ließ sie sich selten blicken; tauchte sie aber auf, so gingen
ehrbare Damen schleunigst über die Straße, um ihre Nähe zu meiden. Und Melanie
hatte mit ihr gesprochen! Kein Wunder, daß Onkel Peter böse war.
    »Wenn
Tante Pitty dahinterkommt, sterbe ich! Du weißt ja, sie fällt zuerst in
Ohnmacht und erzählt es dann jedem in der Stadt, und dann bin ich verloren«,
schluchzte Melanie, »und ich konnte doch nichts dafür. Ich konnte doch nicht
vor ihr davonlaufen. Es wäre zu ungezogen gewesen. Scarlett, sie tat mir so
leid. Ob ich wohl ein sehr schlechter Mensch bin, weil ich das empfinde?«
    Die
moralische Seite der Sache berührte Scarlett nicht im geringsten. Wie die
meisten wohlerzogenen jungen Frauen verspürte sie eine verzehrende Neugier nach
allem, was mit Dirnen zusammenhing.
    »Was
wollte sie? Wovon sprach sie?«
    »Ach, ihre
Redeweise war fürchterlich, aber ich sah, wie sehr sie sich Mühe gab, richtig
zu sprechen, das arme Ding. Ich kam aus dem Lazarett, Onkel Peter war mit dem
Wagen noch nicht da, und ich dachte, ich könnte zu Fuß nach Hause gehen. Als
ich bei Emersons Garten vorbeikam, stand sie hinter der Hecke. Gott sei Dank,
Emersons sind in Macon. Sie sagte: >Bitte, Mrs. Wilkes, kann ich Sie nicht
eine Minute sprechen?< Ich weiß nicht, woher sie meinen Namen kannte. Ich
hätte so rasch wie möglich weitergehen sollen, aber ich konnte nicht ... weißt
du, Scarlett, sie sah so traurig aus, und sie hatte etwas Flehendes im Blick.
Sie war ganz schwarz angezogen und trug einen schwarzen Hut, war auch gar nicht
geschminkt und sah, abgesehen von dem roten Haar, wirklich ganz anständig aus,
und ehe ich antworten konnte, sagte sie: >Ich weiß, ich sollte nicht mit
Ihnen reden, aber ich habe versucht, mit Mrs.

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