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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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Tennessee
und Virginia gehaust hatten. Sogar kleine Kinder konnten von den Greueln
erzählen, die die Yankees in den eroberten Gebieten angerichtet hatten. Schon
wimmelte es in Atlanta von Flüchtlingen, und die Stadt erfuhr aus erster Hand,
was sie durchgemacht hatten. In jenen Gegenden waren die Anhänger der
Konföderierten in der Minderzahl, und die Hand des Krieges lag schwer auf
ihnen, wie in jedem Grenzstaat, wo der Nachbar den Nachbarn anzeigte und der
Bruder den Bruder erschlug. Die Flüchtlinge wünschten den Tag herbei, da ganz Pennsylvanien
eine einzige Feuersbrunst sein würde. Selbst auf den Gesichtern der gütigsten
alten Damen zeigte sich grimmiger Rachedurst.
    Aber als
man erfuhr, Lee habe Befehl gegeben, daß in Pennsylvanien kein Privateigentum
angerührt werden dürfe, daß Plünderung mit dem Tod bestraft werde und die Armee
für jedes Stück zu zahlen habe, das sie requirierte, da bedurfte es der ganzen
Verehrung, die der General genoß, um seine Popularität zu retten. Die
Mannschaften sollten in den reichen Warenlagern jenes blühenden Landes nicht
freie Hand haben?
    Dabei
litten die Frontkämpfer Hunger. Sie hatten Mangel an Schuhen, Kleidungsstücken
und Pferden. Ein eilig geschriebener Zettel von Darcy Meade an seinen Vater,
die einzige Nachricht in jenen ersten Julitagen, die Atlanta direkt von der
Front empfing, ging unter steigender Empörung von Hand zu Hand.
    »Pa,
kannst Du mir denn nicht ein Paar Stiefel verschaffen? Ich laufe seit vierzehn
Tagen barfuß und habe nicht die geringste Aussicht, neue zu bekommen. Wenn ich
nicht so große Füße hätte, so könnte ich wie die anderen den gefallenen Yankees
die Schuhe ausziehen, aber ich bin noch nirgends auf einen gestoßen, der
annähernd so große Füße hatte wie ich. Wenn Du welche bekommen kannst, schicke
sie nicht mit der Post. Es könnte sie jemand unterwegs stehlen, und ich würde
es ihm nicht einmal verdenken. Setz deshalb Phil in den Zug und gib sie ihm
mit. Ich schreibe Euch bald, wo wir zu finden sind, im Augenblick weiß ich nur,
daß wir nordwärts marschieren. Wir sind jetzt in Maryland, und es heißt
allgemein, wir gehen weiter nach Pennsylvanien vor ...
    Pa, ich
dachte, wir könnten den Yankees ihre eigene Arznei zu schmecken geben, aber der
General verbietet es, und ich lege keinen Wert darauf, nur für den Spaß, ein
Yankeehaus abzubrennen, erschossen zu werden. Heute sind wir durch die
fabelhaftesten Kornfelder marschiert, die ich je gesehen habe. Solches Korn
haben wir zu Hause nicht. Wir haben auf eigene Hand ein bißchen geplündert,
denn wir haben alle Hunger, und was der General nicht weiß, macht ihn nicht
heiß! Aber dieses grüne Korn ist uns durchaus nicht gut bekommen. Die Jungens
haben ohnehin alle die Ruhr, und von dem Korn ist es noch schlimmer geworden.
Leichter marschiert es sich noch mit einer Wunde am Bein als mit Ruhr. Pa, bitte,
sieh zu, daß Du ein Paar Stiefel für mich bekommst. Ich bin jetzt Hauptmann,
und ein Hauptmann sollte wenigstens Stiefel haben, wenn er auch keine neue
Uniform und keine Achselstücke hat.«
    Aber die
Armee stand in Pennsylvanien, und darauf allein kam es an! Noch ein Sieg, dann
war der Krieg aus, und dann bekam Darcy so viel Stiefel, wie er wollte, dann
kamen die Jungens nach Hause marschiert, und alle waren wieder glücklich. Mrs.
Meade wurden die Augen naß, wenn sie sich ihren Soldatensohn daheim, vorstellte,
daheim für immer.
    Am 3. Juli
schwiegen plötzlich alle Drähte aus dem Norden. Das dauerte bis zum Mittag des
vierten, und nun begannen bruchstückhafte und verstümmelte Berichte ins
Hauptquartier nach Atlanta durchzusickern. In Pennsylavanien war es in der Nähe
einer kleinen Stadt namens Gettysburg zu harten Kämpfen gekommen, die zu einer
großen Schlacht mit Lees gesammelter Streitmacht anwuchsen. Die Nachrichten
kamen undeutlich und langsam.
    Die
Schlacht hatte ja auf feindlichem Gebiet stattgefunden. Die Berichte mußten
zunächst durch Maryland, wurden nach Richmond weitergegeben und gelangten dann
erst nach Atlanta.
    Die
Spannung wuchs. Langsam kroch die Furcht über die Stadt. Nichts ist schlimmer,
als nicht zu wissen, was vorgeht. Familien, die Söhne an der Front hatten,
beteten inbrünstig, ihre Jungens möchten nicht mit nach Pennsylvanien gezogen
sein, und wer wußte, daß die Seinen bei dem gleichen Regiment wie Darcy Meade
standen, biß die Zähne zusammen und sagte, es sei eine Ehre, in jener großen
Schlacht mitzukämpfen, in der die Yankees

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