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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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doch ein für allemal Prügel bekamen.
    In Tante
Pittys Haus blickten die drei Frauen einander voller Angst ins Auge. Sie
konnten sich nichts mehr verbergen. Ashley stand in Darcys Regiment.
    Am Fünften
kamen schlechte Nachrichten, nicht aus dem Norden, sondern aus dem Westen.
Vicksburg war nach langer, erbitterter Belagerung gefallen, und damit war der
Mississippi von St. Louis bis New Orleans in den Händen der Yankees. Die
Konföderierten Staaten waren jetzt mitten durchgeteilt. Zu jeder anderen Zeit
hätte die Nachricht von diesem Unglück Angst und Wehklagen in Atlanta
hervorgerufen, aber jetzt hatte man für Vicksburg kaum einen Gedanken übrig.
Man dachte nur an Lee, der sich in Pennsylvanien schlug. Der Verlust Vicksburgs
wäre keine Katastrophe, wenn Lee im Osten siegte. Dort lagen Philadelphia, New
York, Washington. Ihr Fall mußte den Norden lahmlegen und die Niederlage am
Mississippi reichlich wettmachen.
    Die
Stunden und Tage schlichen vorüber, das Verhängnis brütete über der Stadt wie
eine schwarzer Schatten, der die heiße Sonne verdunkelt, bis die Leute
erschreckt zum Himmel aufblickten, als könnten sie nicht glauben, daß er noch
klar und blau war und nicht von jagenden Wolken verfinstert. Überall sammelten
sich Frauen in dichten Gruppen an, vor den Haustüren, auf den Fußsteigen und
sogar in der Mitte der Straße, versicherten einander, keine Nachricht bedeute
gute Nachricht, und suchten tapfer zu erscheinen und einander zu trösten. Aber
schreckliche Gerüchte von einer verlorenen Schlacht und riesigen Verlusten
huschten wie Fledermäuse durch die stillen Straßen. Der bleiche Schrecken trieb
die Bewohner nach den Zeitungsbüros und vors Hauptquartier, wo sie auf
Nachricht warteten, sei sie gut oder schlecht. Die Menge war befremdlich still,
schweigend kamen immer mehr Leute hinzu. Es fiel kein Wort. Die Stille wurde
nur noch stiller, wenn das oft wiederholte Wort: »Noch keine Nachricht; nur daß
Kämpfe im Gange sind« ertönte. Immer mehr Frauen zu Fuß und zu Wagen fanden
sich ein. Die Hitze in dem Gedränge war bei dem Staub, den die rastlosen Füße
aufwirbelten, schier zum Ersticken. Es fiel kein Wort, aber all diese blassen,
gefaßten Gesichter waren beredter als der lauteste Jammer. Alle hatten sie
einen Sohn oder einen Bruder, einen Gatten, einen Vater, einen Liebsten in die
Schlacht geschickt An den Tod dachten sie, an Niederlage nicht. Diesen Gedanken
verbannten sie aus ihrem Hirn. Vielleicht starben die Männer, die sie
liebhatten, gerade in diesem Augenblick im sonnengedörrten Gras der
pennsylvanischen Berge. In diesem Augenblick wurde vielleicht die Reihe der
Ihren hingemäht wie Korn unter einem Hagelschauer. Aber die Sache, für die sie
kämpften, konnte nicht untergehen. Sie mochten zu Tausenden sterben, an ihrer
Stelle mußten, wie die Saat aus Drachenzähnen, Tausende von neuen Männern in
Grau und Braun mit dem Rebellenruf auf den Lippen von der Erde aufspringen.
Woher sie kommen sollten, wußte niemand. Aber so gewiß ein gerechter eifriger
Gott im Himmel thronte, so zweifellos konnte General Lee Wunder tun, und die
Armee in Virginia war unbesieglich.
    Scarlett,
Melanie und Pittypat saßen in ihrer Equipage bei niedergeschlagenem Verdeck,
beschattet von ihren Sonnenschirmen, vor den Geschäftsräumen des »Daily
Examiner«. Scarlett bebten die Hände so, daß der Schirm über ihrem Kopf
schwankte. In Pittys rotem Kindergesicht zitterte die Nase wie die eines
Kaninchens. Nur Melanie saß wie aus Stein gehauen, und ihre dunklen Augen
wurden mit der Zeit immer größer. Während zweier Stunden machte sie nur ein
einziges Mal, während sie der Tante ihr Riechfläschchen reichte, eine
Bemerkung, und es war das einzige Mal in ihrem Leben, daß sie kühl und lieblos
mit ihr sprach.
    »Nimm
dies, Tante, und gebrauche es, wenn dir schwach wird; nur das sage ich dir:
wenn du in Ohnmacht fällst, dann mußt du eben in Ohnmacht fallen, und Onkel
Peter muß dich nach Hause bringen. Ich gehe hier nicht weg, ehe ich etwas höre,
und auch Scarlett lasse ich nicht von mir.«
    Scarlett
selbst hatte nicht die Absicht, den Ort zu verlassen, wo sie etwas über Ashleys
Schicksal erfahren sollte. Nein, nicht einmal, wenn Tante Pitty stürbe, ginge
sie hier weg. Irgendwo kämpfte Ashley, irgendwo fiel er vielleicht, und die
Redaktion war der einzige Ort, wo sie die Wahrheit erfahren konnte.
    Sie ließ
ihre Blicke über die Menge schweifen und erblickte Freunde und Nachbarn. Mrs.
Meade, den

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