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Margaret Mitchell

Margaret Mitchell

Titel: Margaret Mitchell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vom Winde verweht
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hatten.
Dann flackerten und loderten die Wimpel und Fahnen der Flammen triumphierend
gen Himmel. Der Rauch versengte den Flüchtlingen die Gesichter und benahm ihnen
den Atem. Prissy und Wade fingen an zu husten, und das Neugeborene gab leise
Nieslaute von sich.
    »Um Gottes
willen, Rhett, sind Sie toll geworden, fahren Sie doch weiter!«
    Rhett
antwortete nicht, ließ aber seinen Zweig mit grausamer Kraft auf den Rücken des
Pferdes niedersausen, daß es mit ein paar heftigen Sätzen anzog. So schnell das
schwache Tier es schaffen konnte, rüttelten und rumpelten sie nun durch die
Mariettastraße. Vor ihnen öffnete sich ein Feuertunnel, und zu beiden Seiten
der kurzen, schmalen Straße, die zu den Eisenbahnschienen führte, lohte die
Glut in dem Innern der Gebäude. Sie stürzten sich mitten hindurch. Ein
Feuerschein, greller als die Sonne, blendete die Augen, die sengende Hitze
verbrannte ihnen die Haut, unaufhörliches Sausen, Knistern und Krachen schlug
ihnen qualvoll ans Ohr. Wohl eine Ewigkeit lang fuhren sie durch diese feurige
Hölle, und dann auf einmal befanden sie sich wieder im Halbdunkel. Während sie
so die Straße entlang und über die Schienen polterten, gebrauchte Rhett
regelmäßig, fast automatisch, die Peitsche. Verschlossen und geistesabwesend
blickte er vor sich hin, als hätte er vergessen, wo er sich befand. Seine
breiten Schultern lehnten vornüber, das Kinn hatte er vorgeschoben, als wälze
er keine erfreulichen Gedanken in seinem Kopf. Bei der Hitze strömte ihm der
Schweiß über Stirn und Wangen, aber er wischte ihn nicht ab.
    Es ging in
eine Seitenstraße hinein, und wieder und wieder bogen sie aus einer schmalen
Gasse in die andere, bis Scarlett völlig die Richtung verloren hatte und das
Prasseln der Flammen hinter ihnen verklang. Immer noch sprach Rhett kein Wort.
Er gab nur dem Pferd regelmäßig die Peitsche. Am Himmel erlosch jetzt die rote
Glut, die Straße wurde so beängstigend dunkel, daß irgendein Wort, jedes Wort
von ihm, auch eine höhnische, kränkende, schneidende Bemerkung Scarlett jetzt
willkommen gewesen wäre. Aber er sagte nichts.
    Aber ob er
nun schwieg oder sprach - für seine Gegenwart dankte sie Gott. Es tat so gut,
einen Mann neben sich zu haben, an ihn gelehnt seine festen Arme zu spüren und
zu wissen, daß er zwischen ihr und dem Unbeschreiblichen stand, auch wenn er
nur dasaß und vor sich hin starrte.
    »Ach, Rhett«,
flüsterte sie und faßte seinen Arm. »Was hätten wir ohne Sie angefangen! Ich
bin so froh, daß Sie nicht bei der Armee sind.«
    Er wandte
den Kopf und sah sie mit einem Blick an, vor dem sie zurückschreckend seinen
Arm fahren ließ. In seinen Augen war dieses Mal kein Spott, nackt lagen sie vor
ihr, Zorn und etwas wie ratlose Verwunderung las sie darin. Doch schon verzogen
sich wieder seine Lippen, und er wandte sich ab. Eine lange Weile holperten sie
in ununterbrochenem Schweigen weiter dahin. Nur das Neugeborene wimmerte leise,
und Prissy schnaubte vor sich hin. Als Scarlett das Schnauben nicht länger
ertrug, drehte sie sich um und stieß Prissy so heftig in die Seite, daß sie
laut aufschrie, um dann wieder in ihr verängstigtes Schweigen zurückzusinken.
    Wieder
lenkte Rhett das Pferd in scharfer Wendung um eine Ecke, und nach einer Weile
kamen sie in eine breitere, bessere Straße. Die Zwischenräume zwischen den
schattenhaften Häusern wurden immer größer. Dann ragte zu beiden Seiten wie
zwei Mauern der dichte Wald ohne Unterbrechung empor.
    »Jetzt
sind wir aus der Stadt heraus«, sagte Rhett kurz und zog die Zügel an, »und auf
der Hauptstraße nach Rough and Ready!«
    »Weiter,
weiter! Nur nicht stehenbleiben!«
    »Das Pferd
muß sich einen Augenblick verschnaufen«, erwiderte er; dann wandte er sich voll
zu ihr und fragte plötzlich langsam: »Scarlett, sind Sie immer noch zu diesem
Wahnsinn entschlossen?«
    »Zu was?«
    »Haben Sie
immer noch die Absicht, sich bis nach Tara durchzuschlagen? Es ist der reine
Selbstmord: Lees Reiterei und die Armee der Yankees stehen zwischen uns und
Tara.«
    Du lieber
Gott! Wollte er sie nun doch noch, nach allem Fürchterlichen, was sie heute durchgemacht
hatte, im Stich lassen? »Doch, doch! Bitte, Rhett fahren Sie doch! Das Pferd
ist nicht müde.«
    »Einen
Augenblick. Auf dieser Straße können Sie nicht nach Jonesboro gelangen. Den
Schienen können Sie nicht folgen, dort wird heute überall gekämpft. Sind Ihnen
irgendwelche anderen Landwege oder kleinen Feldwege bekannt, die nicht

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